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Fräulein Tochter
#11
Der Tag der Altkleidersammlung verlief wie immer recht unspektakulär – wie gewöhnlich stand ein großer Müllsack vor der Tür, der im Laufe des Vormittags ohne große Beachtung abgeholt worden war. Als ich gegen Mittag zum Briefkasten ging, um nach der Post zu schauen, war er jedenfalls längst weg und Fräulein Tochters nagelneue Air Force 1 standen auch nicht mehr vor der Tür. Entweder hatte ihre Ma sie über Nacht reingeholt – was hier und da auch mal vorkam. Da aber das Auto nicht mehr vor der Tür stand, hatte es Fräulein Tochter vielleicht doch geschafft Mama zu überreden mit ihr ins Einkaufszentrum zu fahren, um nach besagter Lederhose zu schauen. Wobei – wie ich die beiden kenne – es dann nicht nur bei der einen Lederhose bleiben würde. Wenn dann kommt bestimmt zum Herbst-/Winter wieder jede Menge neues, denn das alte, was den Weg in den Altkleidersack gefunden hatte, wollte ja schließlich auch wieder ersetzt werden. Ich war jedenfalls gespannt, was sich ergeben würde – denn einerseits sah Fräulein Tochter in der alten Latzhose süß aus, andererseits hätte eine geile enge Lederhose sicherlich auch ihre Reize. Wobei die Latzhose sicherlich unauffälliger und unkomplizierter im Alltag war, vor allem dann, wenn sie sich entscheiden würde, ihre Hoodies drüber zu tragen. Aber da ist sie eher der „Wenn schon, denn schon Typ …“ – den Latz zu verstecken käme für Fräulein Tochter dann vermutlich doch nicht in Frage.

Das Wochenende verging, ohne dass ich Fräulein Tochter gesehen hätte. Montags drauf knüseliges Herbstwetter – Nieselregen und Temperarturen bei denen man nicht mehr ohne Jacke nach draußen gehen möchte. Ich war gespannt, was Fräulein Tochter wohl heute zur Schule anziehen würde, als ich sie auch schon auf der Kellertreppe sitzen sah, wie immer morgens lange beschäftigt dabei, die Air Force 1 zuzuschnüren. Und ich traute meinen Augen nicht, denn der samstägliche Einkaufsbummel schien mehr als erfolgreich gewesen zu sein, trug sie doch zum neuen grauen Levis-Hoodie exakt die gleiche, schwarze Lederjeans wie ihre beste Freundin freitags zuvor beim Einkaufen. Gut, echtes Leder war’s verständlicherweise nicht – musste ja auch nicht sein, denn so lange wird sowas ja dann doch nicht getragen, so dass sich echtes Leder auch lohnen würde. „Nimm die Jacke mit – ist kalt draußen“ rief Mama ihr noch zu, während sie ihr die nagelneue Jack Wolfskin Regenjacke zu warf, die offensichtlich ebenfalls von Einkauf am Wochenende stammte. Sichtlich stolz folgte sie Papa zum Auto, der nun Fräulein Tochter wie jeden Morgen zur Schule fahren durfte. Was für ein Tag – Fräulein Tochter sah richtig cool aus. „Jetzt nochmal jung sein, jetzt nochmal tauschen dürfen“ dachte ich auf dem Weg zur Arbeit – wohlwissend, dass erfahrungsgemäß auch diese Lederhose wieder ziemlich schnell im Schrank verschwunden sein dürfte, zumindest dann, wenn ich Mamas „ausnahmsweise“ von heute Morgen richtig interpretiere.

Und in der Tat, die neue Lederhose entpuppte sich – warum auch immer – als Eintagsfliege. Einmal gesehen, wo sie die den ersten Tag zur Schule anhatte und danach auch wieder nichts mehr. Aber die Auswahl an Hosen war ja mal wieder mehr als genug. Gefühlt trug sie halt jeden Tag was anderes. Das einige was blieb, waren die Air Force 1 abends vor der Wohnungstür. Das sollte sich auch in den nächsten Wochen nicht ändern. Wie nicht anders zu erwarten, waren die nun im Dauereinsatz und genauso wurde sie auch von Fräulein Tochter behandelt. Warum sollte sie auch groß Rücksicht nehmen? Nein, sie wurden bei Wind und Wetter getragen und innerhalb von ein paar Wochen wiesen sie deutliche Gebrauchsspuren auf – was halt auch nicht ausbleibt. Wobei eines jetzt schon deutlich wurde, dass das aufwendige Schnüren ihre langsam, aber sicher auf die Nerven gehen würde – denn mal eben schnell reinschlüpfen war halt nicht. Aber noch ertrug sie den Mehraufwand, ohne zu murren, jedenfalls bekam ich davon nicht mit. Von daher ging ich erstmal auch nicht davon aus, in naher Zukunft was Neues vor der Tür zu sehen, zumal ich zum Winter hin eh wieder mit ihren UGGs Stiefeln rechnete.

Fräulein Tochters beste Freundin traf ich regelmäßig freitags nachmittags beim Einkaufen – und fast immer trug sie dabei ihre schwarze Kunstlederjeans, die von mal zu mal enger und getragener aussah. Man konnte förmlich erkennen, dass die Qualität offenbar nicht die beste war, denn leichte Abnutzungen waren doch schon zu erkennen. „Naja, wenigstens trägt sie das Teil …“ dachte ich so bei mir. „Besser, als wenn sie nur im Schrank liegt“. Den Verdacht hatte ich nämlich bei Fräulein Tochters Lederhose, die ich seit der einen Begegnung im Treppenhaus als sie die neu hatte bislang noch nicht wieder gesehen hatte. Und ich würde mich stark wundern, wenn sie die für zu Hause anziehen würde – denn da trägt sie meist Leggings oder Jogginghose. Dafür zieht sie sich auch gefühlt dreimal am Tag um …

Zur Lederhose trug sie meist Kapuzenpullis – immer andere, könnte mich jetzt kaum erinnern, dass ich einen davon schon mal gesehen hätte. War aber auch ehrlich gesagt nie einer dabei, der es mir besonders hätte angetan oder den ich irgendwie „süß“ gefunden hätte. Was mir halt auffiel, dass sie meist im Supermarkt jedenfalls keinen Anorak trug – egal wie kalt es draußen war. Vermutlich aus reiner Bequemlichkeit entweder zu Hause oder im Auto gelassen, denn drinnen war es ja schließlich warm genug. Was mir hingegen auffiel waren die einfachen, schwarzen Adidas Turnschuhe mit den weißen Streifen und den pinkfarbenen Pünktchen, die sie offenbar nur in der Freizeit anzog, denn die waren doch schon sichtbar abgenutzter. „Coole Schuhe …“ murmelte ich so vor mich hin, was Fräulein Tochters beste Freundin dann wohl mitbekommen haben muss. Stolz und mit breitem Grinsen im Gesicht erwiderte diese: „Hab‘ ich Mama geklaut …“, worauf die ergänze „Weil ich die sonst weggeschmissen hätte …“.

Ich wurde hellhörig und da ich beide gut kannte, fragte ich neugierig: „Weggeschmissen? Warum das denn? Die sehen doch noch gut aus …“ Mama rollte sichtbar mit den Augen „Sohle durch – Hacke zerschlissen – aber für draußen und zum Toben von mir aus …“ meinte sie. „Ich geh‘ doch gleich noch ‘ne Runde Fußball spielen …“ ergänzte die Kleine grinsend. „In Lederhose? Ist die da nicht zu schade für?“ fragte ich erstaunt. Mama schüttelte den Kopf: „Kann sie ruhig – bin ja froh, dass sie die überhaupt trägt. Erst musste sie die unbedingt haben, dann hat sie die einmal zur Schule getragen und dann lag die erstmal uninteressant in der Ecke rum. Typischer Fehlkauf halt – jetzt trägt sie die wenigsten für zu Hause auf und wenn sie die zum Fußball spielen anlassen will, mir egal – kann sie ruhig, die kommt er beim nächsten Aussortieren mit weg, da spielt der Zustand dann auch keine Rolle mehr.“

„Wie jetzt? Mit weg? Wohin?“ wollte ich neugierig wissen als wir an der Kasse in der Schlage standen und warteten. „Altkleidercontainer! Wohin denn sonst? Sowas kriegst Du doch nicht mehr los, selbst geschenkt will die keiner mehr. Sie hat eh viel zu viel Zeugs.“ Ich war erstaunt, hatte im Grunde genommen aber auch nichts anderes erwartet. Warum sollte es bei ihr anders von statten gehen als bei Fräulein Töchter. Nur mit dem Unterschied, dass hier die Sachen direkt im Container landen anstatt in der Altkleidersammlung – was zur Konsequenz hat, dass jederzeit auch kleiner Mengen zwischendurch den Weg in die Entsorgung antreten und nicht nur alle drei Monate ein bis oben hin gefüllter, großer blauer Müllsack.

„Schmeiß Du viel in den Container?“ hakte ich nach. „Von ihr geht inzwischen alles nur noch in den Container …“ erwiderte ihre Mama ein wenig enttäuscht. „Früher, als sie noch kleiner war, hatte ich im Freundes- und Bekanntenkreis ein paar Mamas, die sich immer über Anziehsachen und Schuhe von ihr gefreut haben, aber heute? Alles kleine wählerische Prinzessinnen geworden: Ich trag doch nichts gebrauchtes, nee, gefällt mir nicht, zieht sie eh nicht an. Eine Mami hat mir sogar mal böse vorgehalten, ich solle doch meinen „Müll“ selbst entsorgen. Ich sei ja nur zu faul, die Sachen in den Container zu werfen. Und ehrlich gesagt, mir ist das inzwischen auch zu stressig. Und mir ist es auch mittlerweile scheiß egal, was mit den Sachen passiert, dass das meiste direkt in den Reißwolf geht, ist mir klar, von daher ist es mir auch wurscht, ob die Lederhose ein paar Macken und Kratzer hat, wenn die in den Container wandert. Nur eins steht fest: Ne neue gibt’s dann halt eben nicht mehr.“

Fräulein Tochters beste Freundin stand anteilnahmslos daneben, sagte nichts, denn sie kannte das Prozedere ja nun inzwischen auch selbst. Oft genug hatte sie schon Sachen, die sie nicht mehr möchte im Vorratsraum neben das Körbchen mit dem Altglas gelegt, bzw. eher hingeworfen – denn sie wusste ja, was daraus wird. Groß rum diskutiert wurde auf beiden Seiten nie, was sie aussortierte warf Mama kommentarlos weg. Das war das „Gentlemen Agreement“ dafür, dass Mama es mit Sachen, die sie in die Wäsche gab, genauso tun durfte – denn die Sachen die Mama nicht mehr leiden konnte, traten auf diese Weise den Weg in die Entsorgung an. Was dann oftmals zur Folge hatte, dass sie lieber mit ‘ner dreckigen Lieblingsjeans draußen rumrannte und sich nicht traute, die in die Wäsche zu geben aus Angst, sie würde den Weg nicht mehr in den Schrank zurückfinden. Aber in solchen Fällen griff Mama dann ein und brachte im Vorfeld Klarheit.

Bei den Schuhen ergab es sich, dass Fräulein Tochters beste Freundin und ihre Mama inzwischen fast die gleiche Schuhgröße hatten. Somit bediente sich die Kleine immer öfters an Mamas Schuhen, vor allem an denen die Mama schon aussortiert hatte. Dass Mama mal Schuhe „durch“ trug – wie jetzt bei den Adidas Turnschuhen kam äußerst selten vor. Nun, die Adidas waren halt über ein Zeit hinweg Mamas Lieblingsschuhe, die sie trug, wann immer es sich ergab. Waren halt auch klassisch schlicht, passten zu dem restlichen Outfit, was sie sonst trug. Nur war halt irgendwann auch mal Zeit für neue, und da die Kleine die schon immer mochte (und am liebsten auch selbst eigene gehabt hätte) war das letztlich nur die logische Konsequenz – auch wenn es ihr klar war, dass auch sie die Entsorgung nur um ein paar Wochen aufhalten wird.

Mit wurde an der Kasse nur immer mehr bewusst, wie schnell die Sachen von heute auf morgen im wahrsten Sinne des Wortes alt aussehen, freute mich für die Kleine, dass sie die Lederhose anziehen und noch auftragen durfte, war mir aber durchaus bewusst, dass es auch heute schon das letzte Mal gewesen sein könnte, wo ich sie darin zu sehen bekam. Immerhin saß die Hose hauteng, von der Länge her knapp, aber ok – dennoch war sie offensichtlich noch nicht total verkratzt oder gar irgendwo kaputt. Denn dann wäre sie vermutlich schon längst mit weg gewesen. Ob sie die wohl irgendwann noch mal zur Schule tragen wird, fragte ich mich – denn ich war mir sicher, dass Fräulein Tochter nur darauf wartet, damit sie ihre auch wieder anziehen kann. So ticken Mädels in dem Alter halt. „Warum magst Du eigentlich keine Latzhosen?“ fragte ich noch neugierig, als wir durch die Kasse durch waren und in Richtung Ausgang gingen.
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#12
Coole Fortsetzung, aber im vorletzten Absatz hast Du Dich glaub ich vertan. Die schwarzen Adidas trägt doch die Freundin von Fräulein Tochter und nicht Fräulein Tochter selbst, oder?

Ich bin jedenfalls gespannt, was sich bei den beiden (Fräulein Tochter und beste Freundin) noch so ergibt in Sachen Klamotten und Schuhe Grinning-face
Ein Feuer in Ehren kann niemand verwehren.
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Mein YouTube-Kanal: https://www.youtube.com/@therealschuhlover
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#13
Stimmt - und schon korrigiert. War ja die ganze Zeit bei Fräulein Tochters bester Freundin. Vielleicht hätte ich den Mädels doch Namen geben sollen  thinking Face-with-tongue Face-with-tears-of-joy
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#14
Face-with-tears-of-joy Face-with-tears-of-joy Kann ja mal passieren.
Ein Feuer in Ehren kann niemand verwehren.
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#15
„Latzhosen???“ sah die Kleine mich auf einmal völlig entgeistert an. „Latzhosen sind was für Babys und Schwangere“ grinste sie. „Hatte ich auch mal – als alle die hatten, war aber schnell vorbei, dieser Fehlgriff …“ und ihre Mama ergänzte „Fehlkauf im wahrsten Sinne des Wortes, ein paar Mal zur Schule getragen und nach dem ersten Waschen keinen Bock mehr drauf gehabt. Dabei fanden wir die beide so cool, damals bei H&M, wo Du die unbedingt haben musstest. Könnte ja auch keiner ahnen, dass ich die schon nach ein paar Wochen in den Altkleidercontainer werfen durfte. Die hat sich echt nicht gelohnt – wenn Du die wenigstens noch für zu Hause angezogen hättest, aber nee, Totalverweigerung …“ Mama war sichtlich genervt auf der einen Seite, auf der anderen jedoch offensichtlich froh, dass sie die Lederhose noch anzog. Und mir wurde echt schlagartig bewusst, wie die Mädels von heute ticken und wie schnell es das letzte Mal sein kann, wo sie richtig geile Klamotten tragen.

Und ja, geil war genau das richtige Wort, denn ich genoss – selbstverständlich mit dem erforderlichen Respekt, Abstand und Anstand das, was sie heute zum Einkaufen angezogen hatte. Die Ungewissheit, sie noch einmal in dieser wunderschönen Lederhose sehen zu dürfen, erregte mich – und es war ganz klar diese Lederhose, die zusammen mit den Adidas Turnschuhen für diese Erregung sorgte. Es war ganz klar das Outfit, was mich wuschig machte und das Verlangen danach, sie noch einmal darin sehen zu dürfen – keinesfalls jedoch mehr. Kein Verlangen, ihr näher zu kommen, sie zu berühren, meine Erregung mit ihr zu teilen – nein, es war ganz klar diese vermalledeite Lederhose, die wenn ich Pech hatte, schon in naher Zukunft lieblos in den Altkleidercontainer geworfen auf ihre Aussortierung durch geübte Sortierhände wartete, die die guten ins Tröpfchen, die schlechten ins Kröpfchen beförderte, ganz so wie im Märchen. Wobei ich mir bewusst war, dass – gerade in diesem Zustand – die Überlebenschancen gleich Null waren, denn wer überhaupt in diesem Alter zog so etwas an.

Nein, Fräulein Tochter und ihre beste Freundin waren diesbezüglich absolute Ausnahmen. Ich hatte mich immer wieder in Geschäften gewundert, wer seinem Kind sowas überhaupt kauft, denn ja, in den Geschäften wie Zara und H&M gab’s für die Mädels in dem Alter tatsächlich Lederhosen zu kaufen, auch nach langer Zeit wieder Latzhosen, obwohl ich die nur äußerst selten in freier Wildbahn zu sehen bekam. Sowas war halt immer noch die absolute Ausnahme, obwohl sie für Mamas durchaus mehr in waren als für ihre Kids. Aber auch Mamas in Latz und Leder waren die absolute Ausnahme, weder meine Nachbarin noch Fräulein Tochters beste Freundin ihre Mama ja ich je damit gesehen – obwohl ich mir letztere darin auch äußerst attraktiv vorstellen könnte. Aber sie drauf ansprechen – nein, No-Go, dafür war trotz aller freundschaftlicher Beziehung die Distanz einfach noch viel zu groß.

Irgendwie war der kleine Smalltalk im Kassenbereich so herrlich erfrischend erregend. Hätte nie gedacht, dass beide so offen darüber plaudern können – denn Klamottenentsorgung ist doch normalerweise immer noch tabu. Wer will schon gerne drauf angesprochen werden, was aus seinem Outfit wird, wenn es mal nicht mehr passen sollte oder aus sonstigen Gründen nicht mehr aktuell ist. Das ist genau wie mit der Tageszeitung, die nach einmaligem Lesen im Altpapier landet. Fragst Du danach, bist Du der geizige Schnorrer, der sich selbst keine Tageszeitung leisten kann oder will, bietet sie Dir der Nachbar an, fragst Du verstört, was soll ich denn mit den News von gestern. Insofern konnte ich Fräulein Tochters beste Freundin ihre Mama durchaus verstehen, wenn sie immer wieder zum Altkleidercontainer ging, die Tüte Anziehsachen ihrer Tochter auf die Klappe legte, kurz innehielt und mit einem kräftigen Ruck die Klappe nach oben beförderte, worauf unwiderruflich die Klamotten im Inneren des Containers landeten und darauf warteten, von den nächsten schweren Müllsäcken plattgedrückt zu werden. Für sowas musst Du schon ganz schön emotionslos geworden sein, denn das Engelchen in Dir sagt gerade freudestrahlend, Du hast was Gutes, Tolles getan und auf die tollen, fast neuen Klamotten Deiner Kids freuen sich schon andere, die es nicht so gut haben, während das kleine Teufelchen in Dir ganz genau weiß, dass Du schlecht bezahlte Aushilfskraft bei der Altkleidersortierung im Zweifelsfall Deine Klamotten in Richtung Reißwolf aussortieren wird, denn das kontrolliert im Zweifelsfall niemand mehr, während der Second-Hand-Shop Besitzer im Zweifelsfall immer den von Dir sortierten Sack aufreißen wird und Du den Ärger bekommst, für den Müll, den Du noch als tragbar empfunden hast. Also im Zweifel lieber Gutes für den Schredder, als Schlechtes für Second-Hand und anschließend Ärger. So einfach ist eins plus eins.

Abends, zu Hause allein auf der Couch liegend keimte in mir der Wunsch auf, zumindest die Lederhose von Fräulein Tochters bester Freundin vor diesem Schicksal zu bewahren. Denn die Vorstellung, dass das gute Stück irgendwann im Container verschwindet oder vielleicht sogar direkt in der Mülltonne landet, machte mich vollends wunschig. In Gedanken ging ich meinen Freundes- und Bekanntenkreis durch und überlegte, wer Mädels in dem Alter hatte, denen so was passen und vor allem gefallen könnte, denn zumindest wollte ich ein Alibi haben, wenn ich mich bei einem der nächsten zufälligen Treffen entscheiden könnte, die Mama drauf anzusprechen. Ich hatte den Gedanken noch nicht einmal zu Ende gedacht, da zofften sich auch schon Engelchen und Teufelchen in meinem Kopf:

Engelchen: „Die Lederhose ist doch wirklich viel zu schade für den Altkleidercontainer! Wenn Du die haben willst, musst Du die Mama schon drauf ansprechen – von alleine kommt die nicht zu Dir! Und was soll schon passieren, mehr als „Nein“ sagen kann sie auch nicht.“
Teufelchen: „Vergiss es, die Lederhose kriegst Du never ever! Willst Du dem Kind etwa seine Lieblingshose wegnehmen? Am besten direkt gleich im Supermarkt ausziehen und dann mitnehmen? Hey, nein – lass es, bringt nichts und selbst wenn sie Dir verspricht, sie zu verwahren – am Ende wird sie eh mit einem großen „Sorry“ im Container gelandet sein …“
Engelchen: „Du denkst wieder viel zu negativ, Teufelchen! Was ist denn, wenn sich beide darüber freuen, dass die Lederhose nochmal weitergetragen wird und nicht direkt im Schredder endet? Wäre doch für beide vermutlich viel schöner, wo sie doch nicht ganz so emotionslos sind, wie sie manchmal tun!“
Teufelchen: „Dann musst Du aber auch den richtigen Punkt erwischen – und das kann ziemlich schwierig werden. Denn bei denen gehen auch kleine Tüten zwischendurch in den Container – da steht nicht auf einmal Samstags der große Altkleidersack vor der Tür, wo Du die Woche vorher neugierig fragen könntest. Eher gewinnst Du 6 Richtige im Lotto, als dass Du an die Lederhose kommst. Und für wen denn überhaupt? Für Dich, um die selbst zu befriedigen? Da musst Du schon verdammt glaubhaft rüberkommen, sonst wird das im Worst Case mehr als kontraproduktiv! Und solange die Kleine die Lederhose trägt, genieße es einfach …“

Ich ließ Engelchen und Teufelchen noch eine Weile im Kopf diskutieren, irgendwie hatten ja beide auch Recht. Vielleicht sollte ich es doch auf einen Versuch angekommen lassen – mehr als eine Absage wird schon nicht kommen. Vielleicht würden wir uns ja am nächsten Freitag wieder im Supermarkt sehen – vielleicht trägt sie ja dann wieder ihre Lederhose und Mamas zerlatschte Adidas Schuhe. Wenn nicht, wäre es Zeit zum Eingreifen – wobei es dann schon zu spät sein könnte.

Es war inzwischen November geworden – die Zettel im Briefkasten kündigten die nächste Altkleidersammlung der Kirchengemeinde an, aber ich war erstaunt, denn wider Erwarten stand diesmal in schon Tage lang ein großer blauer Müllsack bei Fräulein Tochter vor der Tür. Fräulein Tochter selbst sah ich morgens öfters auf dem Weg zur Arbeit im Treppenhaus, wir waren längst wieder zum wortkargen „Guten Morgen“ übergegangen, wenn sie im Treppenhaus die Schnürsenkel ihre weißen Nike Air Force 1 zu schnürte, was immer eine gefühlte Ewigkeit dauerte. Abends, wenn ich von der Arbeit zurückkam, standen die jedenfalls immer vor der Tür. Von Tag zu Tag wurden die gefühlt dreckiger – was bei dem Regen- und Matschwetter auch nicht ausblieb. Wobei ich noch nicht damit rechnete, dass sie schon jetzt mit in die Altkleider gehen würden, dafür fehlte auch neuer Ersatz und der war noch nicht in Sicht. Nicht einmal die Winter-UGGs waren bislang zum Einsatz gekommen, nein die Air Force 1 waren im tagtäglichen Einsatz, was man ihnen auch ansah.

„Nimmst Du mich mit zur Schule?“ fragte sie Freitag morgens, am Tag vor der Altkleidersammlung. „Papa hat heute frei!“ „Na klar“, sagte ich – natürlich nicht ohne Hintergedanken, denn ich wollte zu gerne wissen, ob’s diesmal auch wieder den gewohnten Müllsack zur Altkleidersammlung geben würde und was heiße Kandidaten dafür wären. Denn schließlich hatte ich Fräulein Tochter seit der letzten Altkleidersammlung nicht mehr in Latzhose gesehen – auch die schwarze Kunstlederhose hatte ich nur einmal bei ihr gesehen. Sollte die auch schon nicht mehr in sein? Ich war neugierig. „Morgen ist wieder Altkleidersammlung …“ sagte ich, als wir ins Auto stiegen. „Von Euch diesmal nichts dabei?“ – „Keine Ahnung“ erwiderte Fräulein Tochter. „Ich hab‘ diesmal zumindest nichts, was Mama mit weggeben soll. Die Air Force 1 will ich erstmal noch selbst tragen …“. „Deine Latzhose habe ich schon lange nicht bei Dir gesehen …“ hakte ich nach. „Ach die …“ Fräulein Tochter grübelte als hätte sie langsam, aber sicher den Überblick über ihren Klamottenbestand verloren. „Die ist in der Wäsche – oder …“ Fräulein Tochter wurde nachdenklich. „Oder was?“ – „… vielleicht auch schon mit weg, keine Ahnung. Ist mir auch egal – die war ja eh schon alt! Mama schmeißt auch gerne mal was mit weg, was ich in die Wäsche packe. Sie nutzt dann immer ihre Chance was verschwinden zu lassen.“ „Und Deine Lederhose?“ – „Auch in der Wäsche – ähm, glaube ich jedenfalls. Mama mag die ja nicht. Wobei, da lag doch die Tage ‘ne Mülltüte mit alten Klamotten neben dem Korb für Altglas. Ach, wenn schon – auch egal …“

In ihren Augen sah ich völlige Unsicherheit, aber auch Gleichgültigkeit. Sie schien das ganze Thema nicht zu interessieren. Ich hätte jedenfalls früher etwas dagegen gehabt, wenn Sachen ungefragt verschwunden wären – was natürlich hin und wieder auch mal vorkam, vor allem wenn ich sie sorglos zur Wäsche gegeben hätte. Ich war auf den Nachmittag gespannt, ob ich ihre beste Freundin wieder im Supermarkt sehen würde und ob sie wieder – wie in den vergangenen Wochen auch – ihre Lederhose und Mamas alte Turnschuhe anziehen würde. Vielleicht sollte ich heute mal die Chance nutzen, sie ganz konkret drauf ansprechen.
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#16
Oh ja, Teenies und Klamotten / Schuhe... rolling-eyes Mal muss es das beste vom Besten sein, nur Markenklamotten, die dann ein- zweimal getragen werden und dann nie wieder, ein paar Wochen später sind sie plötzlich die Ultrapunks, wieder ein paar Wochen drauf die Divas der Schule, oder sie kriegen die rosa-pinke Neonphase. Als Elter bist Du geplagt (ich zum Glück nicht), egal, was Du machst: es ich (fast) immer falsch, und von Mode haben wir eh keine Ahnung... Face-with-tongue Bei mir wurde dann irgendwann das Taschengeld so erhöht, dass ich mir Turnschuhe / Klamotten selber kaufen konnte, nur in Ausnahmen haben meine Eltern dann noch Klamotten bezahlt, z.B. wenn ich mal einen Anzug oder einen Mantel gebraucht hatte. Ähnliches galt für Lederschuhe, die ich ungern und daher nur selten getragen habe, aber zu gewissen gelegenheiten einfach nötig waren.
Ich liebe Stoffturnschuhe!! ... und liebe es auch sie zu verbrennen!!!
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#17
Vor allem nicht nur geplagt, Du stehst auch vor einem schier unendlichen Klamottenhaufen, vom dem Du weißt, dass der eigentlich sofort mit weg kann, weil er eh nie wieder von Deinen Kindern getragen wird. Und da ständig Neues hinzukommt und der Kleiderschrank eh schon überquillt, stopfst Du fast neue Klamotten in den Müllsack und wirfst die in den Altkleidercontainer, in der Hoffnung, dass nicht alles im Reißwolf endet.

Doch es gibt auch andere Teenie-Mädels: Die Tochter von einer anderen Bekannten trägt immer noch regelmäßig ihre inzwischen zwei Jahre alte, blaue H&M Latzhose ...
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#18
Es gibt eben immer wieder die sog. Ausnahmen von der Regel. Die Diskussion zwischen Engelchen und Teufelchen kenne ich nur zu gut, derzeit streiten meine Beiden ob und wie ich in Erfahrung bringen soll und kann, ob meine Kollegin ihre New Balance-Sneaker noch hat. Wenn ich irgendwie das Thema auf Turnschuhe bringe, wie stelle ich es an die gewünschte Info und evtl. sogar die Schuhe selbst zu bekommen, ohne plump mit der Tür ins Haus fallen? Momenten gewinnt immer noch das Engelchen mit dem Argument "Mach die Kollegin nicht argwöhnisch und gefährde nicht das sehr gute kollegiale Verhätlnis", aber vielleicht schläft Engelchen mal und Teufelchen präsentiert mir ein besseres Argument und die passende Strategie dazu...
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#19
Witzig, mein Engelchen sagt „tu es“, mein Teufelchen „lass es sein“ ?

Bei Dir ist es umgekehrt ?
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#20
Les nochmal meine Schwarz/Silberne Hoops VL Geschichte. Im Nachgang würde ich sagen, ich habe auf Ihr „Das wird nichts, die trage ich auf“ falsch reagiert. Erstmal habe ich ihr kein konkretes Angebot gemacht, sondern den Eindruck erweckt, ich wolle etwas geschenkt haben. Du musst schon was nettes oder was wertiges anbieten. Und „wenn Sie nichts sagen, passiert hier gar nichts“ - Zitat aus meinem Lieblingsfilm. Und na klar, kann das auch schief gehen, dann stimmte auch vorher schon was nicht ...
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