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Wahre Kurzgeschichten
#11
Die Fortsetzung der Kamingeschichte wäre immer noch prima, oder eine Reaktion auf meine Anfrage in der Rubrik "Schuhe". Viel Spaß beim Lesen, es geht um Mädchenschuhe :-)

Jungs vs. Mädchenschuhe

Wir paar Jungs und Mädels warteten im überdachten Bereich der Sporthalle unserer Schule. Andere Kinder hatten eine spontan festgelegte Sportstunde, wohl aufgrund des unangenehmen Winterwetters, weswegen wir nicht in die Halle konnten. Ein Betreuer fehlte uns und wir waren wie immer völlig hyperaktiv und unternahmen viel Quatsch. Wer konnte wie weit die Treppe runterspringen? Etwas fangen spielen. Aber die Zeit verstrich nicht. Da der Lehrer der anderen Kinder keinen Schlüssel für die Umkleidekabine besaß, konnten die Kinder nicht in die Umkleidekabine um ihre Straßenschuhe und Jacken abzulegen. So war der Boden aus Kalksteinplatten weitflächig übersät mit bunten Kleidungsstücken, die achtlos hingeworfen wurden. Ein Schüler unserer kleinen Gruppe kam mir entgegen und trat versehentlich auf einen Winterstiefel eines Mädchens. Ich kannte die Stiefel. Ich hatte dieselben in einer anderen Farbe und war verwundert, dass es die auch für Mädchen gab. Die Mädchenstiefel waren hellviolett mit einem blauen Innenstoff und von der Marke Elefanten. Die Stiefel wogen aus eigener Erfahrung etwas mehr als andere und hatten eine breite Stiefelöffnung. Mein Mitschüler drehte sich um und trat mit einem seiner dreckigen Schuhen absichtlich auf den Mädchenstiefel. Der Stoff der Stiefelöffnung gab unter dem Gewicht nach und wurde platt auf den Boden gequetscht. Dann schliff er den Stiefel auf dem rauhen Kalboden zu sich her. Der Junge war wie wir alle fußballbegeistert, deswegen legte er sich den Stiefel zwischen seinen beiden Schuhen zurecht und versuchte ihn in die Luft zu kicken und mit beiden Füßen abwechselnd den Stiefel dort wie ein Fußball zu halten. Der violette Stiefel des Mädchens flog immer wieder in die Luft, um kurze Zeit später entweder von einem anderen Schuh in die Luft getreten zu werden oder um mit einem dumpfen „Poooff“ schwerfällig auf dem Boden zu landen. Das ging ein paar Minuten so, bis mein Schulkollege mit seinem rechten Bein ausholte und den fallenden Winterstiefel mit aller Kraft gegen die Wand knallte. Die anderen Mitschüler bekamen das mit und sprangen die kurze Treppe runter, von wo sie zum Winterstiefel liefen, der jetzt im nicht geputzten Bereich unter der Heizung lag. Jeder meiner Mitschüler, darunter übrigens auch Mädchen, wollte als erstes am Winterstiefel ankommen. Der erste erreichte ihn und stieß ihn unter der Heizung hervor. Aus dem Jonglieren ist nun eine Partie Fußball geworden, mit einem Mädchenstiefel als Fußballersatz. Auf dem Stiefel wurde mit anderen Stiefeln und Schuhen in gegensätzliche Richtungen gezerrt. Dann von einem anderen Kind weggekickt um ihn in seinen Besitz zu bringen. Der Besitzer wechselte durchwegs und die wirkenden Kräfte auf den Winterstiefel des Mädchens, das nichts ahnte, waren enorme Belastungen für das Material. Auf ihm wurde rumgetreten, er wurde geschossen, und schliff immer wieder seitlich lange Strecken über die groben Kalkplatten. Der Stiefel legte schnell große Distanzen zurück, schleifend, springend, rollend oder fliegend. Der Kalk und der Dreck hatten mittlerweile von außen deutlich sichtbare Schleifspuren hinterlassen. Ebenso die Abriebspuren waren schon ordentlich. Der hellviolette Außenstoff des eigentlich noch neu wirkenden Mädchenstiefel wechselte nun die Farbe Richtung grau. Die Farbe des anderen Mädchenstiefels war noch kräftig. Die beiden Klettverschlüsse öffneten sich nacheinander vom vielen Treten der Mädchen und Jungen weit. Das erschwerte dem Gegenspieler die Übernahme der Stiefel, da meistens eine Person auf den Klettverschlüssen stand und ein anderer Spieler gegen das Hauptkonstrukt des Stiefels trat oder wegzerrte. Die Nähte der Klettverschlüsse wurden ebenfalls ordentlich beansprucht, hielten die Klettverschlüsse aber noch fest. Nicht jede Naht hielt dem Stand. Die groben Profile der Sohlen der vielen Stiefel und Schuhe, darunter übrigens auch ein paar Fußball-Stollenschuhe verrichteten auf dem Mädchenstiefel sichtbare Zerstörung und so löste sich so mancher Verarbeitungsfaden. Der Stiefel wurde auch immer wieder in die Luft getreten, wo er sich um die eigene Achse drehte. Bei einer Drehung kam ein farblich passender kleiner, violetter Mädchensocken raus, der wohl noch dringesteckt hatte. Für ihn gab es keine Aufmerksamkeit. Er landete ausgestreckt auf dem Boden, wo der Mädchensocken höchstens noch wenige male überrannt wurde. Nach einigen Minuten war das Fußballspiel dann vorbei. Die Kinder aus der Turnhalle stürmten heraus und rannten zu ihrer Kleidung. Bevor sie diese jedoch erreichten, wurde der Winterstiefel abschließend mit Wucht die größere Treppe ins Untergeschoss runtergeschossen, wo er in einer dunklen Ecke landete und um mehrere Jahre gealtert aussah.
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#12
Ich stell mir grad das Donnerwetter der Mutter daheim vor, wenn das Mädchen mit dem Stiefel heimkommt.

Tolle Geschichte, sehr lebendig erzählt.
Ein Feuer in Ehren kann niemand verwehren.
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Mein YouTube-Kanal: https://www.youtube.com/@therealschuhlover
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#13
Bin gespannt auf diesen Beitrag.
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