Hallo Freunde!
Auch ich hatte mich in das Heer der Pfingstreisenden eingereiht und meine Wege führten mich nach Baden Württemberg. Als Eisenbahnfan wollte ich es mir nicht nehmen lassen, dem „Öchsle“ einen Besuch abzustatten und so fuhren wir auch nach Ochsenhausen, einem der Endpunkte der Museumsstrecke.
Den Zug hatte ich leider verpasst, aber schon bei der Anfahrt an den Bahnhof fiel mir eine seltsame Wäscheleine auf.
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Was sich dort im Winde wiegte und der Sonnenstrahlung ausgesetzt war, das machte mich mehr als neugierig. Und dann realisierte ich, dass in einem der Bahnhofsgebäude ein kleines Museum seine Räumlichkeiten gefunden hat. „Museum der Waschfrauen“, so nennt sich das Ganze. Eine der Damen, die das Museum mit betreut, erklärte mir alles. Es gab das alte Gemeindewaschhaus in dem das Wäschewaschen, eine schwere Arbeit vor 100 Jahren, nur von Frauen getätigt wurde. Anlässlich der 900-Jahr-Feier im Jahre 1993 haben sich die Ochsenhauser Waschfrauen gegründet, pflegen nun die Tradition und das kleine Museum, in dem ich mich ungeniert umsehen durfte.
Wen wundert es, dass ich schnell ins Gespräch kam und besonders das Thema Leibwäsche erwähnte und hinterfragte...
Futterschlüpfer und ein Korsage ähnlicher rigider Hüftgürtel, sowie Vorlagen und andere Baumwollunterwäsche wurden präsentiert. Ein Aussteuerschrank mit Leinentüchern und anderer Wäsche wurde neben vielen Waschtrommeln, -brettern, Wannen, etc. gezeigt.
Drei der Waschfrauen saßen mit einer alten Dame in der Küche und tranken gemütlich Kaffee. Der selbstgebackene Kuchen duftete und das Feuer im Küchenherd bullerte vor sich hin und erwärmte das Abwaschwasser. Ich entfernte mich und inspizierte die Schränke und Laden. Zuerst fiel mein Blick auf so ein altes Kinderleibchen; ein Baumwollhemdchen an dem Muttis altgedientes Strumpfhaltergummi mit Metallöse sorglos angenäht war. Früher wurde ja alles verwertet und da das Gummi noch halbwegs was taugte, reichte es für die Kinder allemal; wurde abgeschnitten, bevor Mutter ihren ausgeleierten Hüftgürtel zusammengerollt in den Küchenherd schob, damit sein Heizwert nicht ungenutzt blieb.
So im Sinnen erschrak ich. Durch ein winziges hervorschimmerndes Stück Stoff, was im Halbdunkel bronzefarben glänzte, stieg sofort mein Adrenalinspiegel. Aus einem Fach, was mit Stoffabfällen und Nähzeug gefüllt war, fingerte ich das ehemalige Gürtelchen der Tochter hervor (Wespentaille). Trauer befiel mein Herz, denn man hatte ihm alle vier Strumpfhalter abgeschnitten und die breiteste Stelle, das Frontteil, ziert so ein eigenartiger gelblicher verblasster Fleck; so einem wie uns wohl bekannt...
Oh Mann, solch ein antikes Kleinod, gestutzt, geschunden und geächtet in einer Flickenkiste neben anderen nutzlosen Lumpen und Stofffetzen.
War ich der Heiland, der es gerade noch rechtzeitig zum Engelchen erkoren könnte…?
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Ich entfernte mich von diesen grausam Ort und befragte nun genauer die Waschfrauen, philosophierte über die Unterwäsche der Jahrhunderte und kam auf die 50/60 Jahre. Man wusste mir zu berichten, dass auch davon etwas am Lager sei, zu Hause in der Asservatenkammer, aber nicht im Museum, denn die Teile würden unter Wind und Wetter stark leiden. Die Damen planten für das nächste Jahr eine Unterwäschemodenschau der Jahrzehnte, so berichteten sie mir. Oft bekämen sie mal etwas gebracht, was alt und selten sei und es würde nichts vernichtet!
Ich sagte ihnen zu, auch etwas dazu beitragen zu wollen und erhielt prompt die Anschrift der netten Waschfrau; werde ihr ein Paket schicken, mit Sachen die nicht meinem Beuteschema entsprechen. Vielleicht gelingt mir ja noch ein Tausch…?
Nun war ich wieder draußen unter der Wäscheleine und wühlte in einem Handwagen voller Unterwäsche. Da bemerkte ich plötzlich, dass mich andere Bahnhofsbesucher schon beobachteten und ließ ab davon. Als die sich dann auch die Leine betrachtet hatten und davongezogen waren, schaute ich mir den Wagen abermals an, na gut, mehr seinen Inhalt.
Ich fand einen kleinen Futterschlüpfer, rosafarben und westlicher Machart, den musste ich unbedingt für Rummelpubbe im Bild festhalten.
„Und was machen sie nun; jetzt fotografieren sie die Unterwäsche?“, drang es, mich aufschreckend, in mein Ohr. Die alte Dame stand neben mir und sah mir dabei zu.
Hexlein und Töchterchen hatte ich im Schatten geparkt und wie hatte Töchterchen doch bemerkt: „Lass hier aber bloß nichts vom Stapel, die Schwaben verstehen bei deinem Tick bestimmt keinen Spaß, die sind verklemmt und für die ist das einfach nur abartig!“
Ich fand auf dem Handwagenboden einen Strumpfhaltergürtel, zwar schon schön lappig, von Wind und Sonne jedoch etwas angesteift, trotzdem gut erhalten. Mein Glück war; ich habe so einen schon und er war aus Baumwolle…
Die Dame nahm in mir sogleich aus der Hand und hielt ihn bereitwillig in die Kamera!
Ich sagte ihr nun, wie schön doch solche Strumpfmieder seien und das ich es sehr bedauern würde, dass die jungen Frauen so etwas im Alltag nicht mehr tragen würden.
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Sie gab mir den Strumpfhaltergürtel zurück, ich verinnerlichte ihn mir mit meinem Tastsinn, legte ihn ehrfürchtig zusammen und wieder unter die andere Wäsche, damit er vom Sonnenlicht verschont blieb. Dabei ertönte abermals ihre Stimme und sie strich sich in Höhe des Bauches mit gespreizten Fingern über den Rock: „Ich trage die noch, bin eine alte Frau und so etwas gewöhnt, halte nichts von den neuen Fähnchen. Besonders im Winter, da halten die meine selbstgestrickten Strümpfe, ja…“
Na nun hatte die Oma aber dem Karl aufs Pedal getreten – Generalangriff!
Ihr Priester wird ihr nicht besser die Beichte abnehmen können.
Ich hinterfragte viel; ja, auch sie hat ausgediente Hüfthalter verbrannt, aber nur wenn sie völlig kaputt waren, nach dem Krieg die Armut, das steckt bis heute drin und alles wird geflickt und genutzt bis es wirklich hin ist. Ihre Tochter hätte schon immer gesagt sie soll das alte Zeug wegschmeißen, aber die Sachen würden halten, viel länger als der Mist heutzutage und die Menschheit würde am übermäßigen Konsum und ob des Streben danach bald untergehen…
Karl predigte mit, bis er ihr ganz tief ins Auge schaute und fragte: „Na, haben sie nicht so ein paar alte Hüfthalter für mich. Wo ich sie doch sammle und erhalte. Die können ruhig abgetragen sein…“
Sie verdrehte die Augen: „Ich brauch die doch noch, trage die doch auf – na gut, warten sie hier zehn Minuten, ich wohne nicht weit, schaue mal schnell durch was weg kann und bringe ihnen was mit“.
Sie eilte davon und ich war baff!
Ich vertröstete meine Damen und begab mich wieder in die Nähe des Öchsle- Bahnhofs.
Wirklich, es waren grad zehn Minuten verstrichen da sah ich das Blau ihres Kostüms um die Ecke biegen und sie hatte weder Bürgermeister noch Feuerwehr im Gefolge, dafür aber zwei Hüfthalter offen über dem Arm tragend, deren Strumpfhalter frivol in der Luft baumelten – göttlich!
Ich strebte ihr sofort entgegen, denn auf halbem Wege, vor einem Straßencafé, stand eine Gruppe türkischer Jugendlicher, welche die Situation vielleicht hätten falsch verstehen können.
Das Öchsle pfiff im Hintergrund – unbedeutend – als mir die Oma ihre alten Hüfthalter reichte, wir noch ein wenig über Mieder sprachen und ich ihr versicherte, wie glücklich sie mich mit dieser Spende machen würde. Der Lumpenwicht tanzte, die alte Dame schien beglückt ob des seltenen Erlebnisses und nachdem man sich alles Gute gewünscht, trennten sich unsere Wege.
Karl erschien sich etwas verwegen und fest umschloss seine Hand die lumperten Hüfthalter, damit sie der türkischen Jugend nicht Anlass des Anstoßes würden.
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Ohne meine Frauen und auf einem Rastplatz nahm ich dann später den ersten Kontakt zu den Lumpchen auf – na, wenigstens hatte ich das Öchsle bis dahin auf Bild.
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Nachdem sich das Töchterchen sündhaft teure Schuhe gekauft hatte, konnte sich Paps des Kontrollblicks ins Wäschefach nicht enthalten; es war alles noch am Ort.
LG, Karl