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Festival-Chucks
#1
[Bild: c6e9291365531637.jpg]
Sie war vor 1 Monat 16 Jahre geworden. Ein bildhübsches Mädchen mit kurzen, dunkelblonden Haaren. Zum Geburtstag bekam sie ein Ticket für ein Festival im kommenden Sommer geschenkt. Ihre Freude war groß, nicht nur, weil sie dort unbedingt hin wollte, es war auch ihr allererstes Festival überhaupt. Und nun durfte sie dabei sein. Sie war ganz aufgeregt, obwohl es noch 4 Monate bis dorthin sind. Doch schon jetzt kannte ihre Vorfreude keine Grenzen.

Nun endlich war es soweit. Bereits am Vortag packte sie alles für's Festival zusammen. Zelt, Schlafsack, einige T-Shirts zum Wechseln und einige Paar Socken inkl. dicker Socken, sollte es in der Nacht kalt sein. Neben der langen Jeans, die sie sowieso anziehen würde, nahm sie auch noch Hot Pants mit, am Tag wäre es mit einer langen Hose sicherlich zu heiß. Natürlich musste auch ein Bikini mit, denn in der Nähe gab es einen See. Sie packte ihre braunen Flip Flops ein und graue Stoffschühchen von Esprit für alle Fälle. Am nächsten Tag ging es schon früh los. Sie trug eine hellblaue Jeans, weiße Socken mit bedrucktem Bärchen-Motiv und ein weißes graues Top mit Spagetti-Trägern. Sie schnappte sich aus dem Schuhschrank ihre schwarzen Hi-Chucks. Die Chucks waren 3 Jahre alt und nicht nur ihre Lieblingschucks, sondern ihre Lieblingsschuhe die eine bewegte Geschichte hatten. Sie trug die Chucks als sie den ersten Kuss bekam, beim Date das zum ersten Mal führte und natürlich nahezu jeden Tag in der Schule. Sie stieg in den Zug und die 4 Stunden Fahrt kamen ihr wie Tage vor. Voller Ungeduld schaute sie immer wieder auf die Uhr, doch die Zeit schien stehen zu bleiben.

Gefühlte Tage später war es soweit: sie erreichte gegen 14 Uhr den Zielbahnhof, an dem ganze Scharen an Fans sich in Richtung Festival-Gelände aufmachten. Die Sonne schien bei 25° vom wolkenlosen Himmel und nicht der geringste Luftzug sorgte für Abkühlung. Es versprach ein sehr heißer Tag zu werden. 30 Minuten Fußmarsch lagen nun vor ihr und die Aufregung stieg mit jeder Minute an. Am Einlass bekam sie ihr Bändchen umgeschnürrt und sie ging zu den Zeltplätzen. Geschafft. Sie ist da, am Festivalgelände angekommen. Nun konnte sie nichts mehr aufhalten. Sie baute ihr Zelt auf und zog sich gleich anschließend den Temperaturen entsprechend an. Sie zog ihr grün-schwarz gestreiftes Bikinioberteil, Hotpants und ihre Chucks an. Sie schloss Bekanntschaft mit ihren Zeltnachbarn, die einen Pavillon aufgebaut haben und sie spontan zum Grillen einluden. Als Festival-Neuling wusste sie so überhaupt nicht was sie erwartet, sie hatte vor allem haltbaren Proviant mitgenommen, sie wusste ja nicht, was sie vor Ort erwartet. Die Stimmung war ausgelassen und man lernte sich etwas besser kennen.

Um 19:00 Uhr war's soweit: Die erste Band eröffnete das Festival, die Stimmung war ausgelassen und stieg proportional zur Anzahl der Fans je später es wurde. Sie saugte die Festivalatmosphäre richtiggehend auf und ließ sich vom Sog der Menschenmasse mittreiben. Die letzte Band beendete um 1:30 Uhr den ersten Festival-Tag und sie ging glücklich zurück zum Zelt, wo sie noch etwas mit ihren Zeltnachbarn feierte, ehe sie gegen 3 Uhr ins Zelt ging um zu Schlafen. Am nächsten Tag wachte sie auf und hörte ein Rauschen. Sie schaute aus dem Zelt und sofort machte sich Ernüchterung breit: die Sonne räumte das Feld um Regen Platz zu machen. Es war immer noch warm, bestimmt 20° und es regnete auch nicht sonderlich stark, aber stark genug um das erdige Gelände aufzuweichen. Viele der Fans gingen mit Gummistiefeln an den Beinen umher, daran hatte sie nun gar nicht gedacht, mit Regen so überhaupt nicht gerechnet. Was tun? Sie zog sich an, doch anstatt der Chucks schlüpfte sie in ihre Flip Flops rein um zu den Duschen und WCs zu gelangen. Als sie wieder am Zelt kam, hatten die Flip Flops bereits rundrum eine Dreckschicht. Bis zu den ersten für sie interessanten Bands dauerte es an diesem Tag bis zum späten Nachmittag, doch ihre Zeltnachbarn war eine Gruppe von 10 Leuten und nicht alle hatten den selben Musikgeschmack, weshalb sie immer Gesellschaft hatte. Gegen 16:30 Uhr machte sie sich fertig für das erste Konzert des Tages. Doch was zog sie sich an ihren Füßen an? In Flip Flops konnte sie nicht aufs Konzert gehen, für sowas ist es einfach nicht das richtige Schuhwerk. Ihre grauen leichten Stoffschuhe vielleicht? Nein, der Schmutz wäre sofort sichtbar. Also ging sie doch mit ihren Chucks los und macht sich gedanklich die Notiz, das nächste Mal vorher Gummistiefel zu kaufen. Der Tag war wesentlich anstrengender, mit Regen hatte sie überhaupt nicht gerechnet und entsprechend auch kein Regenzeug eingepackt. Ein typischer Anfängerfehler halt. Der Tag machte ihr irgendwie nicht so richtig Spaß, am Abend fing es heftig an zu regnen, wodurch sich der Untergrund bei tausenden Fans zusehends aufweichte. Zwischendurch sprang ihr jemand auf ihre Füße und hinterließ einen dicken Dreckabdruck, von der Seite flog ein halbvoller Bierbecher knapp neben ihr auf den Boden, wodurch sich das Bier über ihre Chucks verteilte und sich mit dem Dreck vermischte. Das Zurückgehen war eine Qual. Auch wenn sie noch so sehr schaute dem größten Dreck auszuweichen, so ging sie trotzdem stellenweise durch knöcheltiefen Schlamm und ihre armen Chucks verdreckten mit jedem Schritt mehr und der Schlamm setzte sich mit jeder Minute tiefer in die Fasern ein. Die Sohle war ein dicker Dreckklumpen, die einst weiße Kappe war unter dem Schmutz nicht mehr zu erkennen und auch das Converse-Logo war verschmiert. Ihre schönen Chucks. Sie ließ die Schuhe vor dem Zelt stehen, in dem Zustand wollte sie die nicht mehr mit rein nehmen.

Am nächsten Tag, Tag der Abreise, regnete es immer noch und das Zeltgelände war mittlerweile ein Schlachtfeld. Irgendjemand trampelte wohl in der Nacht auf ihre Chucks, stolperte drüber oder beides. Der eine Schuh lag kopfüber wenige Schritte von ihrem Zelt entfernt, der andere hing mit geknicktem Schaft vorm Zelt, ganz so, als ob jemand draufgestiegen wäre, was auch den Dreck an dieser Stelle erklären würde. Die Chucks waren nass vom nächtlichen Regen, kein Wunder, wenn sie nicht unter dem schützenden Vordach des Zeltes standen. Erst jetzt sah sie das Ausmaß des vorherigen Tages und der nächtlichen Trampel Aktionen. Sie zog ihre Flip Flops an um zu den sanitären Anlagen zu gelangen, ihre grauen Schuhe wollte sie sich für die Heimfahrt aufheben um saubere und vor allem trockene Schuhe zu haben. Als sie wiederkam war von den Flip Flops nicht mehr viel zu erkennen, es wirke mehr wie Schlamm an ihren Füßen. 2x blieb sie mit einem Schuh im Dreck stecken. Die armen Flip Flops, das arme Mädchen. Sie ging zum Zelt zurück, beugte sich rein und kramte eine Plastiktüte hervor. Sie griff nach ihren Chucks mit einer Hand, die Tüte trug sie mit der anderen Hand, ein Handtuch legte sie über die Schulter. So ging sie nochmals zu den Duschen. Dort versuchte sie ihre Flip Flops so gut es ging zu waschen, aber sie wurden nicht sauber, der Dreck war zu viel. Sie zog sich die Flip Flops aus um sie in die Plastiktüte zu stecken und stellte die Tüte daneben ab. Danach wusch sie ihre Füße so gründlich es ging, trocknete sie ab, zog sich Socken an und stieg danach in die durchweichten Chucks. Sie hob ihren rechten Fuß um den Schuh zu inspizieren. Traurig blickte sie auf die dreckigen Chucks, anschließend schnappte sie sich die Tüte und ging zurück zum Zeltplatz, wo sie anfing das Zelt abzubauen. Die Tüte mit dem Flip Flops steckte sie in ihre Mülltüte, die jeder Besucher bei der Ankunft bekam. Das Schicksal der Schuhe war somit besiegelt, die durften nicht mehr nach Hause und mussten weitab der Heimat den Weg in die Müllverbrennungsanlage antreten. Sie kramte ihre Tasche hervor, in der Schmutzwäsche und ihre grauen Esprit-Schuhe lagen, stellte sie neben sich und baute das Zelt ab. Schließlich nahm sie die Tasche mit der Schmutzwäsche, in der sie auch das Zelt verstaute, und die Mülltüte in der anderen Hand, zur Müll-Rücknahmestelle um dort einem großgewachsenen Mann die Mülltüte zu übergeben. Der schleuderte die Tüte, in der sich die Flip Flops befanden, emotionslos mit Schwung in einen riesigen Container. Sie bekam die 7 Euro Müllpfand wieder und ging in Richtung Bahnhof. Immer wieder versank sie im Schlamm und mit jedem Versinken wurden die Chucks noch dreckiger als sie ohnehin schon waren.

So trabte sie also zum Bahnhof. Dort angekommen inspizierte sie nochmals ihre Chucks von allen Seiten. Sie bemerkte nicht den Typen, der ihr die ganze Zeit unauffällig mit einigen Schritten Abstand folgte. Er beobachtete das Mädchen ganz genau während sie ihre völlig verdreckten Chucks musterte. Geilheit überkam ihm, der Wunsch diese Chucks zu haben wurde stärker und stärker und er betete zum Schicksal, dass sie ihre Chucks in den Müll stecken würde. Das Mädchen stellte die Tasche ab um darin nach etwas zu wühlen. Schließlich fand sie wonach sie gesucht hat und klatschte das graue Paar Stoffschuhe auf den Boden. Sie bückte sich um ihren linken Schuh aufzuschnüren, danach schnürte sie den rechten Schuh auf. Ihr Folger beobachtete ganz gespannt das Szenario und überlegte sich, wie er sie am besten auf die Chucks ansprechen kann. Er musste sie haben, egal wie, er musste sie einfach in seinen Händen halten können. Sie stieg mit dem rechten Schuh auf den Linken um ihn auszuziehen. Danach stieg sie mit dem schuhlosen Fuß auf den rechten Schuh um auch darauf herauszuschlüpfen. Sie hob im 90° Winkel ihren rechten Fuß um sich den Socken auszuziehen, den sie anschließend in den Chuck stopfte. Sie zog sich den grauen Schuh an, wobei sie erstmal die Schuhferse plattdrückte. Das selbe Szenario machte sie auch mit dem anderen Fuß. Jetzt wird es spannend für den Folger. Was passiert jetzt? "Hoffentlich" so flehte er nochmals das Schicksal an, "hoffentlich wirft sie die Schuhe weg". Sie griff nach ihren Schuhen und ging auf eine Mülltonne zu. Sie öffnete den Deckel, schaute in den darinliegenden Dreck, hielt die Chucks direkt darüber und nach etwas Zögern ließ sie die Schuhe los, die mitten auf stinkendem Müll landeten. Ein letzter trauriger Blick hinein ehe sie den Deckel wieder schloss. Nun hatte sie Zeit sich ihre Stoffschuhe richtig anzuziehen, ohne die Ferse hinunterzudrücken. Sie griff nach ihrer Tasche und ging zu den Bahnsteigen. Sie bemerkte nicht, wie der junge Mann zur Mülltonne ging um sich die Chucks rauszuretten. Höchste Lust überkam ihm, als er die Schuhe in Händen hielt. Das Mädchen wartete auf ihren Zug, traurig über den Verlust ihrer heißgeliebten Chucks, während er höchst erregt mit den Chucks in Richtung Auto ging um gleich danach seine Beutetour fortzusetzen und es sollte nicht das einzige Paar Schuhe sein, dass er sich vom Festival mit nach Hause nehmen konnte.
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Ein Feuer in Ehren kann niemand verwehren.
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Mein YouTube-Kanal: https://www.youtube.com/@therealschuhlover
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#2
Typische Schuhlover Story - aus dem Leben gegriffen... Face-with-tears-of-joy  Auf den 2 Festivals, bei denen ich je war, hatte es nicht geregnet, entsprechend waren die Rucanor-Chucks, bzw. Romika Stofftennisschuhe, die meine damalige Freundin und ich mitgenommen hatten, auch nicht versaut. Einzusammeln gab's auch nix - ist halt auch schon lange her... face-flushing Face-with-tears-of-joy
Ich liebe Stoffturnschuhe!! ... und liebe es auch sie zu verbrennen!!!
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#3
Es gibt Festivals, da bleibt nichts hinten und andere, da kannst Dich gar ned so blöd anstellen, um nicht über Schuhe zu stolpern Face-with-tears-of-joy
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#4
Ich glaube, vor rund 40 Jahren wurde einfach mehr mitgenommen, man achtete auch mehr auf seine Sachen. Außerdem waren die Festivals eher klein, in Ingelheim... Winking-face
Ich liebe Stoffturnschuhe!! ... und liebe es auch sie zu verbrennen!!!
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#5
Schöne Geschichte, sie hätte auch auf der Fahrt ihre alte, verwaschene Latzjeans tragen können, von der Mama meinte, dafür ist die noch gut, dann kann die anschließend auch endlch mit weg, als Hotpants einen knackig engen, Adidas Glanzshort in knallrot mit weißen Streifen und für abends Mamas alte, schwarze Lederjeans, die sie sich heimlich und ohne dass sie es mitbekommen hätte aus ihrem Kleiderschrank entführte, weil Mama hat die ja schon seit Ewigkeiten nicht mehr getragen. Aber so ist die Geschichte halt "nur" was für Schuhfetis ...
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#6
Ich werde mal wieder bei Viola reinschauen. Sie liebt es ja Jacken kaputt zu machen, auch wenn sie extrem feucht wurde, als ihre Chucks von ihrem Freund verbrannt wurden...
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#7
Angeregt von Schuhlovers „Festival-Chucks“ Geschichte, hier nun die Fortsetzung. Ich hoffe, Du bist nicht böse, dass ich den geworfenen Ball aufgenommen habe …
 
Im Zug auf dem Nachhausweg wurde sie nachdenklich, eigentlich hätte sie die Chucks doch einfach wieder mitnehmen sollen, einmal in die Waschmaschine und die wären zumindest für’s nächste Festival noch gut gewesen. So quasi als Festival-Schuhe, denn Kultstatus hatten die ja sowieso schon und richtig kaputt waren die eh noch nicht. Aber was solls, weg ist weg und eigentlich sind neue längst überfällig. Schräg gegenüber im Abteil fiel ihr ein Typ auf, etwas älter als sie, lange, zottelige Haare, Dreitagebart, Schnürlederjeans, Metallica T-Shirt und schwarze Bikerboots an den Füßen. Irgendwie kam er ihr bekannt vor, so richtig einordnen konnte sie ihn jedenfalls nicht – noch nicht. Auf dem Festivalgelände war er ihr jedenfalls aufgefallen. Sie blickte immer wieder zu ihm rüber, aber nein – das kann nicht sein. Das war nicht der Typ am Mülleimer, den sie aus weiter Entfernung beobachtet hatte, wie er nach ihr die Bahnhofsmülltonne durchkramt hatte. Nein, das muss einer von den Flaschenpfandsammlern gewesen sein, aber da waren doch gar keine Pfandflaschen drin, als sie die Chucks langsam fallen ließ.
 
„Bestimmt alles nur eine Verwechselung“, dachte sie und fand den Typen insgeheim symphytisch. Das war garantiert nicht er, der da vermeintlich unbeobachtet im Müll wühlte. Wonach er also suchte, blieb ihr ein Rätsel – zumal sie aus der Entfernung auch nichts Genaues erkennen konnte. Die ganze Zugfahrt über ging er ihr nicht mehr aus dem Kopf, am liebsten wäre sie rübergegangen zu ihm und hätte noch etwas Smalltalk gemacht mit ihm – wie es auf dem Festival war und überhaupt und sowieso. Ob sie sich geoutet hätte – nein, sicherlich nicht. Dass sie meinte, ihn an der Bahnhofsmülltonne beobachtet zu haben, damit wollte sie ihn nicht konfrontieren. Das sollte ihr großes Geheimnis bleiben.
 
Zu Hause angekommen gab’s ein kurzes „Hallo“ und ein „brauchst nicht viel zu waschen, Mama – die Chucks sind übrigens im Müll gelandet …“ Tränen kullerten ihr die Wange runter beim Gedanken daran, dass sie nun von freundlichen Müllmännern langsam aber sicher – und vor allem unerkannt und ohne großes Tam-Tam – zur finalen Destination der örtlichen Müllverbrennungsanlage gebracht würden. „Nicht weinen, Kleines …“ versuchte Mama sie zu trösten. „Alles richtig gemacht! Die waren doch eh völlig am Ende, die hatte ich sowieso bei nächster Gelegenheit mit weggeschmissen. Ist dann wohl mal wieder Zeit für neue – und außerdem könntest Du eh langsam mal wieder aussortieren und wegscheißen. Da ist doch bestimmt inzwischen wieder einiges reif für den Container, was nur noch im Schrank liegt, nicht mehr passt oder was Du eh nicht mehr trägst. Ich kenn Dich doch. Vor allem Schuhe! Da sind doch bestimmt nicht nur die Chucks reif für die Tonne, oder?“
 
Sie fühlte sich sichtlich genervt – Mama hatte zwar durchaus recht, da hat sich im Laufe der letzten paar Jahre ‘ne Menge angesammelt, was inzwischen fast oder komplett durch ist – aber sich letztlich davon trennen, wollte sie dann doch nicht. Und vor allem, da sie wusste, was in der Regel draus wird und dass das eben nicht weitertragen war, denn dafür was das meiste in der Tat zu verbraucht. Denn die meisten Sachen waren inzwischen schon einige Jahre alt, vieles hatte sie schon, seitdem sie 12 oder 13 war – denn immerhin war sie seit dem kaum gewachsen und hatte auch noch kaum an Gewicht zugelegt. Und ja, zugegeben – da lag ‘ne Menge Zeugs im Schrank was sie früher, als die Sachen neu waren, fast ständig getragen hatte – die sie aber auch schon ebenso lange nicht mehr anhatte, Sachen, bei denen sie sich immer wieder fest vornimmt, sie doch irgendwann mal wieder anzuziehen, sie vorzukramen, sie wieder zu tragen – oder sich dann halt doch irgendwann mal von zu trennen. So wie halt von den Chucks, auch wenn sie denen jetzt nachweinte, war sie doch selbst von sich überrascht, wie einfach und unkompliziert das war – wie sie Befreiung, fast schon Befriedigung spürte, als sie die völlig durchsifften Dinger endlich los ließ und sie auf dem anderen Müll in der Tonne landeten.
 
Früher, als sie noch klein war, da hatte Mama das immer für sie erledigt. Wenn sie Samstags mit der Familie shoppen waren, konnte sie sicher sein, dass Mama sich die Woche drauf morgens wenn sie in der Schule war über mit Vorliebe über ihren Kleiderschrank her machte. Wobei Mama durchaus darauf achtete, dass nur das mit wegkam, was auch nicht mehr passte oder wo sie gesagt hatte, „kann weg …“. Böse Überraschungen gab’s also selten – aber kamen durchaus vor. „Hast doch neues bekommen …“ war dann immer Mamas Standardantwort genauso wie „Ist weg …“ wenn mal irgendwas vermisst wurde. Was Mama darunter verstand, bliebt bis heute ihr Geheimnis – wo ihre Sachen hin verschwanden war ihr eigentlich auch egal – das interessierte sie nicht wirklich. Hauptsache, es gab problemlos immer wieder neues und der Schrank war stets gut gefüllt.
 
Die Zeit ging ins Land und es war völlig klar, dass es im nächsten Jahr wieder das gleiche Festival werden sollte. Die Eintrittskarte gab’s wie üblich zu Weihnachten und Klamotten aussortiert hatte sie bis dahin immer noch nicht – was zur Folge hatte, dass nicht nur der Kleiderschrank überquoll, sondern auch die Klamotten, die sie täglich in Gebrauch hatte im Zimmer verteilt auf Boden, Bett, Couch und Stühle lagen. „Vielleicht solltest Du das Festival mal zu Anlass nehmen, Deinen Schrank durchzuforsten“ meinte Mama genervt von den vielen im Zimmer verteilten Klamotten. „Wenn Du ‘ne Mülltüte brauchst … - ich mein ja nur.“
 
„Eigentlich könnte ich ja mal wieder meine Latzhose anziehen, ob die wohl noch passt?“ dachte sie. „Am besten auf der Hinfahrt und zum Zeltaufbau – zum Zelten hab‘ ich die ja schließlich früher immer gerne getragen. Wo ist die überhaupt?“ Früher, ja früher, das ist inzwischen auf drei, vier Jahre her, als sie dreimal im Jahr mit den Eltern zum Camping in den Urlaub fuhr. Camping war immer minimalistisch, eine Jeans musste für drei Wochen reichen – und das war dann halt eben immer die Latzjeans, weil die so schön bequem war und weil man zur Not ja den Hoodie drüber tragen konnte, dann sah man den Latz ja nicht. Was sie – je älter sie wurde auch durchaus bevorzugte. Mit 11 oder 12 war ‘ne Latzie ja noch niedlich und cool – vor allem war sie ja auch nicht die Einzige, die eine hatte – aber als sie irgendwann mal gefragt wurde, ob sie schwanger sei, weil sie die immer noch trug, schämte sie sich in Grund und Boden und hätte sie die am liebsten sofort entsorgt. Aber zum Glück lag sie noch im Schrank und passte, wenn auch inzwischen etwas enger, aber die seitlichen Knöpfe gingen so gerade noch zu. „Für’s Festival noch – und dann kann die auch langsam mit weg …“
 
Sie rechnete insgeheim wieder mit Regenwetter, also war der blaue Adidas Anorak mit der roten Kapuze fest gesetzt. Den hatte sie auch seit Ewigkeiten nicht mehr an – dafür aber seit sie ihn hatte die ersten drei Winter fast täglich. Dementsprechend sah er auch aus – an der rechten Seitentasche war sogar ein fünf Zentimeter langer Riss, den sie bis dahin gar nicht wahrgenommen hatte. Oder sich zumindest nicht mehr dran erinnerte, dass sie irgendwann mal damit am Stacheldrahtzaun hängen geblieben war. Aber nicht schlimm, auch der ist jetzt eher ein Kandidat für „Der hat’s danach auch hinter sich“ als einer, auf den sie jetzt unbedingt Rücksicht nehmen müsste. Die dunkelgrüne Glattlederhose mit dem Doppelreißverschluss – die sie von ihrem älteren Bruder geerbt hatte und bis zum geht nicht mehr auf dem Campingplatz an hatte, fand sie hingegen auch nach intensivem Suchen nicht mehr. Mama zu fragen hatte eh keinen Zweck, mehr als die Standardantwort war von ihr doch nicht zu erwarten. Dann halt eben den roten Adidas Glanzshorts mit den weißen Streifen, den engen ohne den Innenslip – den sie auch irgendwann mal geschenkt bekommen hatte und sowohl zum Sport als auch bei warmem Wetter anstelle der Lederhose auf dem Campingplatz getragen hatte. „Für wenn’s warm werden sollte …“ – aber danach sah es gar nicht mal aus. „Irgendwo hatte ich doch auch mal ‘ne Lederhose – so im Bikerstil …“ wobei die Betonung auf „hatte“ lag – denn im Schrank war die nicht mehr. Also mal heimlich rüber zu Mama und schauen, was da noch so geht. Und voila, Volltreffer – Mamas Lieblingslederhose aus der Zeit, wo sie noch ihre hatte. Seitdem also auch nicht mehr getragen – dafür passt ihr die jetzt. Also einpacken …
 
Sie packte noch ein paar Hoodies und T-Shirts ein, das obligatorische Festival T-Shirt vom letzten Jahr, einen alten Jogginganzug für Nachts (wenn es kälter wird), die gelben Gummistiefel – die sie am liebsten zur Fahrt angezogen – aber zur geplanten Latzhose hätte das ausgesehen, als wäre sie angehende „Ackerdemikerin“ – nein, den Eindruck wollte sie nicht hinterlassen. Die alten, weißen Superstars mit den roten Streifen hätte sie gerne mitgenommen, aber die waren total zerlatscht und an der Hacke durch – das scheuert nur beim Laufen und gibt Blasen. Also zurück in den Schuhschrank und die ebenso alten, halbhohen Air Force 1 probiert – vom Gefühl her etwas eng, aber angenehmer als die Adidas. Immerhin passte alles in ihren großen Rucksack, Zelt und Gummistiefel wurden außen festgebunden. Und so machte sie sich in Latzhose, Kapuzennicki, Adidas Anorak und alten Airforce 1 auf den Weg zum Bahnhof. Ein irres Gefühl, mal wieder die Klamotten zu tragen, die früher mal Lieblingsstücke waren und jetzt vielleicht ein allerletztes Mal getragen würden. Oder sollte sie die jetzt schon für’s nächste Festival zurücklegen? „Wäre eigentlich cool …“ aber da war noch mehr als genug anderes Zeugs im Schrank.
 
Nach ein paar Stunden Fahrt musste sie dieses Mal umsteigen, da es diesmal keine durchgehende Zugverbindung gab. Auf dem Bahnsteig sah sie den Typen vom letzten Jahr wieder, mit dem sie auf der Rückfahrt im gleichen Zugabteil saß. Sie erkannte sofort seine schwarze Schürlederjeans. Auch er hatte sie gleich erkannt, obwohl sie statt der schwarzen Chucks ihre weißen, dreckigen und abgelatschten Air Force 1 trug, die ihn sofort faszinierten. Aber er war zu schüchtern, sie anzusprechen – auch wenn er inzwischen direkt neben ihr stand. „Irgendwoher kennen wir uns – Du fährst doch auch zu dem Festival, oder?“ sprach sie ihn an. Ihre Augen strahlten vor Freude, ihn wieder zu sehen. Sie gab sich einen Ruck „Ich bin übrigens Jule …“ – „Und ich bin Paul – und stimmt, ich kann mich an Dich erinnern. Du hast doch letztes Jahr auf dem Rückweg am Bahnhof Deine schwarzen Chucks entsorgt und dann haben wir ‘ne Zeitlang im gleichen Wagon gesessen und Du hast immer wieder so süß zu mir rübergeschaut.“
 
Und so fuhren beide gemeinsam weiter zum Festival – Jule hatte sich also Hals über Kopf in Paul verliebt – nein, eigentlich hatten sich beide schon auf der Rückfahrt im letzten Jahr gegenseitig ineinander verliebt. Jule war gespannt, was Paul zu ihrem Outfit sagen würde, wenn sie gleich im Abteil den Anorak ausziehen würde. Ob er wohl Latzhosen mag? Jule war sich langsam nicht mehr sicher, ob sie den Anorak überhaupt ausziehen sollte. Sie war zu sehr verknallt in ihn – jetzt nicht bloß gleich am Anfang alles falsch machen.
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#8
Klingt gut die Fortsetzung. Immerhin hat das Mädel dazu gelernt und sich auch Gummistiefel gekauft.
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#9
Ist eine tolle Fortsetzung, da bin ich sicher nicht böse drüber. Falls Du magst, füge ich diesen Thread in meine Geschichte, dann ist es kompakt zusammen Winking-face Ich bin sehr gespannt, ob und wie Paul an ihre Nike Air Force kommt!
Ein Feuer in Ehren kann niemand verwehren.
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#10
Danke für‘s administrative Verschieben und Zusammenführen!
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