So, alle Wünsche konnte ich natürlich nicht erfüllen, aber ich hoffe, Euren Geschmack getroffen zu haben
Mit einem Mal wurde es Nina ganz heiß.
Ihre Mutter hatte vermutlich recht mit ihrer Einschätzung,
dass die Schuhe nicht mehr wirklich zu reparieren waren.
Und was nützten ihr schon kaputte Schuhe?
Für die Schule taugten sie gewiss nicht mehr.
Und auch sonst: Was, wenn der Riss immer weiter aufging?
Womöglich genau dann, wenn sie einen weiten Nachhauseweg hätte...
Es war ihr dennoch unwohl.
Elkes Worte klangen nach, in Ninas Ohren: "...lass sie auch mit einstampfen."
Nina atmete durch.
Einstampfen! -- das klang so brutal.
Sie fühlte den weichen Turnschuh in ihrer Hand.
Wenige Schritte vor ihr lag der zweite, wo sie ihn ausgezogen hatte.
In wenigen Minuten wäre es mit ihnen vorbei. Zerdrückt. Zerquetscht. Nein: Zermalmt.
Ihre geliebten, bequemen Air Max, in die sie heute früh ganz selbstverständlich
geschlüpft war, sollten eingestampft werden. So hatte es ihre Mutter beschlossen.
Ninas Herz pochte.
"...kurzen Prozess mit ihnen machen." blitzte es noch einmal in ihrem Kopf auf.
Nina bückte sich und stellte den rechten Schuh neben den linken.
Sie ordnete noch ein letztes Mal die Schnürsenkel, stellte das Pärchen neben die Tür und trat zurück.
Sie konnte die Bilder vor ihrem geistigen Auge nicht unterdrücken:
- wie ihre Mutter die Schuhe aufheben würde und nur ein leerer Platz zurückbleibt.
- wie sie in den Hinterhof geht und die Schuhe zusammen mit dem Küchenmüll in die Schütte des Containers fallen lässt.
- Im Weggehen würde sie den Knopf der Presse drücken.
Nina schluckte.
- Die Presse, das Mahlwerk, oder was auch immer in diesem Container war,
würde sich in Gang setzen, ihre armen kleinen Air Max erfassen und Augenblicke später brutal zermalmen.
Sollte sie ihre Schuhe vor diesem grausamen Ende retten?
Zögerlich trat Nina wieder einen Schritt vor.
Doch dann dachte sie wieder an die gerissene Naht, die zu Flicken keinen Sinn machte.
Sie dachte an die unangenehme Situation,
wenn sie sonstwo in der Stadt plötzlich mit einem aufgerissenen Schuh dastand.
Sie wägte ab: Den Dingen ihren Lauf lassen - oder ein vermeidbares Risiko eingehen?
Es tat Nina in der Seele weh, aber sie riss sich am Riemen und beließ es dabei -- die Schuhe sollten ihr Ende finden.
Elke machte einstweilen in der Küche weiter "klar Schiff".
Nachdem sie die Teller und das Besteck in die Spülmaschine geräumt hatte,
nahm sie den Topf vom Herd, in dem sie gestern die Brokkoli-Suppe gekocht hatte.
Es war noch einiges übrig, da ihr Mann und ihre Tochter die gute Suppe verschmäht hatten.
Selbst hatte sie nun auch keinen Appetit mehr darauf -- schließlich hatte sie statt den beiden
besonders viel davon gelöffelt.
Elke legte den Deckel zur Seite und ging mit dem Topf zum Spülbecken.
Sie kippte den Topf um den Inhalt in den Ausguss zu leeren.
Kaum damit begonnen, stoppte Elke.
Die Suppe war teilweise geronnen und würde nur den Abfluss verstopfen
-- und sie hatte wahrlich keine Lust, literweise Wasser nachzuspülen und alles
Stückige mit Küchenkrepp herauszuwischen.
Sie stellte den Topf auf der Arbeitsplatte ab und öffnete die Schublade mit dem Mülleimer.
Der Eimer war zu gut zwei Dritteln gefüllt.
Also hob sie den Eimer heraus und schlug den Rand des Müllbeutels,
der um den Eimer gekrempelt war, nach oben.
Zum Glück rechtzeitig, sah Elke, dass die Schaschlik-Spieße,
die sie vorgestern hineingeworfen hatte, den Beutel bedrohlich piksten.
"Das kann schief gehen." dachte sie sich.
"Da platzt mir garantiert der Müllsack gerade im Treppenhaus, wenn ich jetzt die Suppe da reinschütte."
Elke stockte -- doch nur einen Augenblick.
Da kam ihr eine Idee:
Besonders viel Suppe war nicht mehr im Topf.
Würde das nicht vielleicht in Ninas Turnschuhe passen, die ja auch in den Müll kommen?
Elke ging in den Flur und sah gleich Ninas Schuhe neben der Wohnungstüre stehen.
Sie zögerte keine Sekunde, die Schuhe zu nehmen.
Zurück in der Küche, platzierte sie Ninas kleine Air Max nebeneinander im Müllbeutel
und drückte sie kräftig in die weichen Küchenabfälle, damit sie sicher standen.
Nun bog Elke die Zungen nach vorne, damit die Schuhe ihre "Mäulchen" weit aufsperrten.
Süffisant sagte Elke zu sich selbst:
"So, Nina. Wenn Du sie schon nicht mochtest, dann kriegen Deine Schuhe die Suppe als Henkersmahlzeit."
Mit diesen Worten nahm sie den Topf und hielt ihn knapp über dem Müllbeutel.
Sie kippte ihn und sofort schwappte die grüne Pampe nacheinander in und über Ninas Schuhe.