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Aus der Geschichte der Nylonstrümpfe
#1
Hier ein interessanter Bericht aus dem Iran, enthalten in einem "Spiegel" von 1952. Nylons waren ein teures Importgut:

"16.01.1952


PERSIEN
Nylon-Boykott

Persiens Premier Mohammed Mossadeq, der laut US-Zeitschrift "Time" die "Räder des Chaos (in Asien) ölt", konzentriert seine Aktivität auf den Hof des Schahs, seit die Königinmutter den im Parlamentsgebäude versteckten Oppositionsmitgliedern Körbe voll Erfrischungen schicken ließ. In der Nationalistenpresse werden die Ausgaben des Hofes vor den darbenden Bürgern breitgetreten. Bilder von der Schah-Schwester Prinzessin Aschraf auf luxuriösen Parties in Paris werden zusammen mit kritikgeladenen Unterschriften gedruckt. Außerdem kann man aus diesen Blättern erfahren, daß der Hof "ein Mekka für britische Agenten" ist.

Wieder mußte der willenlose Schah seinem wildgewordenen Premier letzte Woche ein bitteres Zugeständnis machen: Seine junge Frau Soraja. 19, war das Opfer. Sie mußte den Vorsitz der Teheraner Frauenliga zum Boykott von Nylonstrümpfen übernehmen. Der Zweck: durch Verzicht auf Nylons sollen die praktisch erschöpften Devisenreserven des Landes noch ein wenig gestreckt werden, nachdem bereits der größte Teil des persischen Diplomatenkorps aus Ersparnisgründen heimgerufen worden ist.

Die bessergestellten Teheraner Frauen wollen ihre Nylons demonstrativ vor dem Gebäude der Britischen Bank verbrennen - auch jetzt noch, nachdem Mossadeg letzte Woche 23 Millionen Dollar US-Hilfe angenommen hat.
Dazu meinte die "New York Times" ironisch: "Wir entdecken, daß es nicht nur seliger ist zu geben als zu nehmen, sondern in einigen Fällen auch unheimlich viel schwieriger. Es hat viel geschickte Ueberredung erfordert, Persien zur Annahme der ... Hilfe zu bewegen, aber wir können froh sein, daß Mossadeq seine ursprünglichen Skrupel überwunden hat ..."

Mossadeq faßte den Entschluß, dem Parlament den letzten Beweis seiner unerschütterlichen Beliebtheit bei den Amerikanern mitzuteilen. Aber am Morgen las er von einem aufgedeckten Mordanschlag auf seine Person und blieb - wie auch am kommenden Morgen, als die Regierungspresse ein weiteres Komplott gegen Mossadeq

aufspürte - zu Hause im Bett. Damit fehlte Mossadeq seit 11. Dezember bei 28 aufeinanderfolgenden Sitzungen, weil "ich im Majlis (Parlament) nicht sicher bin". Der Sprecher des Hauses bemerkte unter dem Gelächter der wachsenden Opposition beißend, nach seiner Ernennung zum Premier habe sich Mossadeq wochenlang nicht aus dem Majlis gewagt, "weil ich außerhalb des Majlis in Lebensgefahr bin".
*) Känguruhs schlafen gewöhnlich im Sitzen, Kantilever sind freischwebende Brücken- oder Vorbauträger.

DER SPIEGEL 3/1952
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