Themabewertung:
  • 1 Bewertung(en) - 5 im Durchschnitt
  • 1
  • 2
  • 3
  • 4
  • 5
Die Mutprobe (eine Gummistiefel-Geschichte)
#1

Hallo zusammen! Diese Geschichte hier hab ich in einem anderen Forum schon mal veröffentlicht. Ich hab sie noch ein wenig überarbeitet und werde sie jetzt so nach und nach hier einstellen.
Ich hoffe, sie gefällt euch. 

Die Mutprobe
Oder: Neue Gummistiefel müssen her!


Prolog
„Los jetzt, Sabine! Trödel nicht so rum, Du musst noch packen!“ schallte es durch den Flur.
„Komme gleich!“ rief Sabine, während sie unter ihrem Bett herumkramte. „Wo ist denn mein anderer Flip-Flop! Ah, hier ist er ja!“
„Können wir jetzt los? Ab mit dir ins Auto!“ drängelte ihre Mutter.
Sabine huschte an ihr vorbei und rannte zum Auto. Heute sollte sie endlich neue Gummistiefel bekommen und voller Vorfreude malte sie sich bereits aus, was für Klamotten sie dazu tragen wollte und rutschte ganz hibbelig auf ihrem Sitz herum.
„Jetzt zappel nicht so rum, Du machst mich ja ganz nervös!“ brummelte ihre Mutter und fuhr endlich los, während Sabine plapperte wie ein Wasserfall, was wohl zu ihren neuen Gummistiefeln passen könnte.
Aber schon nach fünf Minuten bog Sabines Mutter zu ihrer Verwunderung schon wieder auf einen Parkplatz ein und stellte das Auto vor der örtlichen Lidl-Filiale ab.
„Können wir das mit dem Einkaufen nicht nachher machen? Ich hätte gedacht, wir kaufen erst meine Gummistiefel.“ nöhlte Sabine.
„Machen wir doch auch!“ sagte ihre Mutter. „Komm, Lidl hat zufälligerweise heute Gummistiefel im Angebot, da können wir nebenher auch gleich noch einkaufen.“
„Echt jetzt?“ stöhnte Sabine. „Sind die wenigstens noch hübsch? Oder nur billig?“
„Jetzt komm schon!“ sagte ihre Mutter verärgert und schob sie in Richtung der Eingangstür. „Sieh sie dir doch wenigstens mal an.“
Sabine sah sich noch schnell eine Jeans aus der letzten Angebotsaktion an, während ihre Mutter schon auf der Suche nach den Gummistiefeln war.
„Sabine, komm her!“ rief ihr ihre Mutter zu. „Ich hab sie gefunden! Größe 39, oder?“
„Jaaa, 39!“ antwortete Sabine und rollte mit den Augen. Langsam näherte Sie sich der Schütte mit den Gummistiefeln und ihre Vorfreude fiel augenblicklich wie ein Kartenhaus in sich zusammen. Vor ihr lagen ein ganzer Haufen olivgrüner Arbeitsgummistiefel mit beigen Sohlen, Damen- und Herrenmodelle wild durcheinander. Triumphierend stand ihre Mutter mit einem Paar Stiefel daneben.
OCH NÖ! MAMA! DIE DA?“ schimpfte Sabine. „Ich hätte gedacht, wir fahren dafür in die Stadt!“
Stattdessen stand sie jetzt eine Minute später neben ihrer Mutter im örtlichen Lidl, das eine Bein barfuß auf dem kalten Fliesenboden, das andere steckte in einem olivgrünen Gummistiefel mit kurzem, weitem Schaft und stark profilierter, beiger Sohle. Daneben lagen verstreut ihre lustlos von den Füssen abgeschüttelten, ausgelatschten und dreckigen gelben Flip-Flops, bei denen man schön deutlich ihre Zehenabdrücke erkennen konnte. Und natürlich der dazugehörige andere Stiefel.
„Was hast Du denn?“ fragte ihre Mutter. „Die passen dir doch wie angegossen! Die nehmen wir jetzt mit!“
„Du begreift es einfach nicht, oder?“ sagte Sabine gereizt. „Hast Du keine Augen im Kopf?!“
„Was soll denn sein, das sind eben Gummistiefel!“ sagte Sabines Mutter bestimmt. „Die Du ins Schullandheim mitnehmen wirst!“
„Aber die sind potthässlich!“ zeterte Sabine. „Mit denen kann ich doch nicht rumlaufen. In die Schäfte pass ich doch dreimal rein. Das sieht doch beschissen aus!“
„Junge Dame! Nicht in dem Ton!“ wies ihre Mutter sie zurecht. „Entweder nimmst Du jetzt diese Stiefel hier oder Du gehst barfuß, wenn ihr die Gummistiefel auf der Klassenfahrt doch mal braucht.“
„Oder dann eben in Flip-Flops! In diese Stiefel kriegst Du mich jedenfalls nicht freiwillig rein!“ schmollte Sabine, wobei sie das Wort ‚Stiefel‘ mit ihren Fingern durch in der Luft angedeuteten Gänsefüßchen unterstrich.
„Die Stiefel stehen nun mal auf der Liste, da kann ich auch nichts dafür“, seufzte ihre Mutter. „Schau mal, Schatz, ich weiß sehr wohl, dass es da viel schönere Gummistiefel gibt, aber die sind im Moment einfach nicht drin. Selbst die 6,99€ muss ich mir schon gut überlegen.“
„Alles ist besser als diese Dinger hier, dann geh ich eben barfuß!“ meckerte Sabine und trat sich den Stiefel vom Fuß. "Die 6,99 kannst Du dir jedenfalls schon mal sparen!"
Schnell fädelte sie ihre Füße wieder in die gammeligen Flip-Flops und kickte frustriert den auf der Seite liegenden Gummistiefel in Richtung der Stiefelschütte zurück.
„WAS?!“ fauchte sie ihre Mutter an, nachdem sie bemerkt hatte, dass sie sie missbilligend ansah.
„Hast Du nicht was vergessen?“ fragte ihre Mutter und blickte in die Richtung der herumliegenden Gummistiefel.
„Okay, okay!“ Sabine rollte mit den Augen, hob die Stiefel auf und legte sie wieder in die Schütte zurück. „Besser so? Können wir jetzt gehen?“
Auf dem ganzen Rückweg schmollte Sabine noch im Auto vor sich hin, bis ihrer Mutter eine Idee kam.
„Hör mal, ich glaube, ich habe im Keller noch meine alten Gummistiefel“, sagte sie. „Da war ich ungefähr so alt wie Du, als ich die bekommen habe. Die müssten Dir eigentlich passen.“
„Wenn Du meinst“, brummelte Sabine vor sich hin. „Die sind hoffentlich vorzeigbarer als das von vorhin!“
„Das denke ich doch!“ sagte ihre Mutter. „Die gefallen Dir bestimmt! Das sind nämlich richtige Markenstiefel! So was ist doch heute wieder angesagt. Voll Retro, sagt ihr doch immer, oder?“
„Warten wir’s ab!“ sagte Sabine wenig enthusiastisch und zog sich wieder in ihren Schmollwinkel zurück.


Daheim angekommen, ging ihre Mutter gleich in den Keller, während Sabine sich lustlos auf die Couch fläzte. Es dauerte eine halbe Ewigkeit und Sabine hörte, wie im Keller einige große Gegenstände verrückt wurden. Dann kam ihre Mutter freudestrahlend ins Wohnzimmer. In jeder Hand hatte sie einen hohen, glänzenden blauen Gummistiefel mit beigefarbener Sohle und einer blauen Kunststoffstulpe, in die ringsum kleine Löcher eingestanzt waren.
„Ta-Taaaaa! Wusste ich’s doch, dass die Stiefelchen noch da sind!“ jubilierte Sabines Mutter und hob sie in die Höhe. „Na, was sagst Du? Sind noch fast neu! Schlüpf doch mal rein!“
„Auf jeden Fall besser als diese olivgrünen Dinger!“ sagte Sabine und griff nach den Stiefeln. Sofort verzog sie das Gesicht. „BÄH! Die stinken!“
„Die standen halt im Keller rum, da kann ich auch nichts dran ändern!“ sagte Sabines Mutter. „Jetzt mach schon! Ich schmeiß die Stiefel auch noch mal in die Waschmaschine, wenn es dich stört!“
„Na gut, wenn’s sein muss! Aber nur mit Socken!“ seufzte Sabine und trollte sich auf ihr Zimmer, um ein Paar Socken zu holen. Danach schlüpfte sie vorsichtig mit leichtem Ekel hinein. Als sie die Gummistiefel angezogen hatte, lief sie ein paar Schritte und verzog das Gesicht: „Die sind mir aber zu klein, Mama!“
„Zeig mal!“ sagte ihre Mutter und drückte an der Zehenspitze auf dem Stiefel herum. „Ach was! Die fallen doch groß aus und passen dir wie angegossen!“
„Eben nicht, die drücken!“ beharrte Sabine. „Steck ich jetzt in den Stiefeln oder Du? Die sind zu klein! Hier, schau! 38! Ich hab doch 39!“
„Tja, nochmal fahr ich nicht mit dir zum Stiefelkaufen, junge Dame!“ sagte ihre Mutter jetzt ärgerlich. „Jetzt stell dich nicht so an! Du darfst halt eben nicht so dicke Socken anziehen, dann geht das schon! Die braucht ihr doch höchst wahrscheinlich nur ein-, zwei Mal und das wirst Du doch mal aushalten können, oder?
Andere gibt’s auf jeden Fall nicht und ich werde mir nicht nachsagen lassen, dass ich dich ohne vernünftige Klamotten auf die Klassenfahrt geschickt habe!“
„Na schön!“ seufzte Sabine und beeilte sich, aus den engen Stiefeln wieder herauszukommen, was gar nicht so einfach war. Schließlich musste sogar ihre Mutter helfen.
„Damit Du endlich Ruhe gibst, nehm ich eben die hier mit.“ Sie hob die Stiefel auf und trollte sie sich in ihr Zimmer. „Ob ich die auch Anziehe, hab ich nicht gesagt!“ sagte sie leise zu sich selbst, während sie die Stiefel achtlos in ihre Reisetasche hineinquetschte.
„Und wenn, Mama dann sind deine uralten Stiefel hoffentlich schon so morsch, dass sich meine Zehen von alleine Platz schaffen! Das würde dir jedenfalls Recht geschehen!" sagte sie sich in Gedanken.

Fortsetzung folgt...
Zitieren
« Ein Thema zurück | Ein Thema vor »


Nachrichten in diesem Thema
Die Mutprobe (eine Gummistiefel-Geschichte) - von baier_st - 26.01.2020, 18:51

Gehe zu:


Benutzer, die gerade dieses Thema anschauen: 1 Gast/Gäste