09.07.2021, 20:55
Hallo zusammen,
beim Aufräumen eines Kellers tritt so Manches zu Tage und vieles gehört eigentlich aussortiert.
Geschichten könnte man dazu sicher viele schreiben.
Hier ist eine, die mich besonders reizen würde.
Viel Spaß beim Lesen!
Grüße, IvyMike.
Sandras Handy klingelte schon wieder. Diesmal war es ihre Mutter.
Leicht genervt stöhnte Sandra "Was will die jetzt wieder."
Sie hatte schon länger kein gutes Verhältnis mehr zu ihrer Mutter.
Seit sie vor gut zehn Jahren bei ihren Eltern auszog hatte sie ihren Weg gemacht.
Sie war eben nicht mehr die kleine "Sandy" und sie war es langsam leid, von ihrer Mutter betütelt zu werden wie ein junges Mädchen.
"Hallo Mama." sprach sie kühl ins Mikrofon.
-- "Hallo liebes Sandylein," flötete es aus dem Hörer, "hast Du einen kleinen Augenblick? Mami muss Dich um einen kleinen Gefallen bitten."
Sandra verdrehte die Augen und sagte bemüht höflich: "Natürlich, was gibt's denn?"
-- "Danke Liebes!" und nachdem sie Luft geholt hatte: "Jaa, wo fang' ich denn am besten an? Äh, wir bekommen im Keller neue Absperrungen von unseren Parzellen. Du weißt ja, die alten Holzverschläge waren ja schon damals ziemlich marode. Jochen hat ja jetzt den Betrieb und das Haus übernommen, da hat er gesagt, da macht er solche Sachen auch gleich neu."
"Jochen hat die Schreinerei übernommen?" fragte Sandra interessiert dazwischen.
-- "Ja Schätzchen, er tritt sicher in große Fußstapfen, aber er konnte ja schon immer tüchtig anpacken. Ääh, wo war ich stehengeblieben? Ach ja, der Keller. Nächsten Samstag will Jochen den alten Verschlag rausreißen. Bis dahin müssen wir ein wenig aufgeräumt haben im Keller. Aus Deinem Kinderzimmer hat es noch ein paar Sachen. Da wollte ich Dich fragen, was ich davon aufheben soll. Oder vielleicht möchtest Du was für Deine Kinder aufheben, wenn Du dann welche hast?"
Den Seitenhieb ignoriert Sandra geflissentlich: "Was hat's denn von mir noch da?"
-- "Oh, noch einiges Sandylein, Deine Puppenstube, Dein Schaukelpferd und noch ein bisschen Krimskrams, Du weißt schon."
"Ok, dann komm' ich am Samstag auf'n Sprung vorbei."
-- "Das freut mich, Sandylein!"
Sandra war nervöser als sie sich es eingestehen wollte.
Nicht, weil sie ihre Mutter nach mehreren Wochen mal wieder sehen würde.
Auch nicht, weil sie besonders gespannt auf ihre alten Spielsachen wäre.
Nein, sie war neugierig, was aus Jochen geworden ist.
Er war rund fünf Jahre älter als sie. Ein netter Kerl.
Doch als sie bei ihren Eltern auszog, brach der Kontakt ab.
Dass Jochen nun selbstständig als Schreiner arbeitete und dem Mietshaus, in dem ihre Eltern wohnten, neuen Pepp verleihen wollte, beeindruckte Sandra.
Was, wenn er noch solo wäre... Doch diesen Gedanken verwarf Sandra eilig wieder.
Als Sandra und ihre Mutter gemeinsam in den Keller gingen, herrschte dort schon reges Treiben.
Die meisten Bewohner hatten schon ihre Parzellen auf- oder sogar ausgeräumt und waren daran, die alten Verschläge abzubauen.
-- "Das Holz sollen wir gleich rüber in die Werkstatt bringen, Schätzchen. Jochen kann es da kleinsägen und verfeuern. In der Schreinerei wird ja schließlich schon immer mit Holz geheizt."
Sandras Mutter setzte ein honigsüßes Lächeln auf: "Wenn Du was von Deinen Spielsachen nicht mehr magst, freut sich Jochen bestimmt auch darüber. Er hat gesagt, er nimmt alles, was brennt. Hi hi hi." schloß sie mit einem künstlichen Lachen.
Sandra wusste nicht, was ihr mehr mißfiel: Das dämliche Lachen ihrer Mutter oder die Tatsache, dass ihre alten Sachen in dem großen gußeisernen Ofen in der Schreinerei enden sollten.
Als Kind hatte sie beinahe etwas Angst vor diesem rauchschwarzen Ungetüm in der Ecke der Werkstatt, das damals schon alles "fraß", was auch nur den Anschein machte, nicht mehr gebraucht zu werden.
Doch sie blieb tapfer. Schließlich hatte sie nicht das leiseste Interesse daran, mit einem Kofferraum voller Gerümpel wieder nach Hause zu fahren.
Die Parzelle ihrer Eltern war bereits ordentlich aufgeräumt.
Alle Regale und Schränkchen waren vom Verschlag weg, in die Raummitte geschoben.
Direkt neben der Tür standen die angekündigten Spielzeuge: Das Schaukelpferd, die leergeräumte Puppenstube und ein Karton, voll mit dem Inhalt der Puppenstube und weiteren kleinen Spielsachen.
-- "Hier schau, Sandylein. Damit hast Du immer so gerne geschaukelt! Zu Deinem dritten Geburtstag hast es damals von Herbert bekommen. Ach, war das putzig anzuschauen." schwelgte Sandras Mutter in ihren Erinnerungen.
-- "Und hier, Deine Puppenstube. Da warst Du noch eine ganz wilde kleine Maus, hast die Möbelchen und Püppchen ganz schön malträtiert. Hi hi hi." lachte sie schon wieder so ekelhaft süß.
Es war Sandra peinlich. Viele Nachbarn, die in Hör- und Sehweite waren, kannte sie noch von früher.
Vor ihnen als kleines Mädchen behandelt zu werden, wurmte sie.
Sandra brauchte nicht lange zu überlegen.
Geringschätzig sagte sie zur Puppenstube: "Ja. Die ist kein Schmuckstück mehr. Die kann weg."
Sie ging in die Hocke und inspizierte das Schaukelpferd. Ein robustes Stück, bei dem Jochens Vater sich offenbar reichlich Mühe gegeben hatte.
Wirklich Verwendung hätte sie zwar für's erste nicht, aber als Dekoration beziehungsweise als Kleiderablage für ihr Schlafzimmer würde es allemal taugen.
"Das Schaukelpferd würd' ich mitnehmen." lautete Sandras Urteil.
Während Sandra sich das Schaukelpferd näher angesehen hatte, hatte ihre Mutter in das Regal neben ihnen gegriffen.
-- "Schau mal, was da beim Umräumen noch hinter dem Schrank aufgetaucht ist, Liebes."
Zu Sandras großem Erstaunen waren es ihre damals innig geliebten Nike Cortez, die sie an einem bitteren Tag hatte hergeben müssen.
Ihr Vater hatte sich so sehr über den Zustand ihrer Schuhe aufgeregt, dass sie sie wieder ausziehen und stattdessen andere anziehen musste, bevor sie in die Schule ging. Unter größtem Protest, versteht sich.
Sie konnte sich noch bestens an diesen fiesen Moment erinnern, als sie auf dem Boden saß und ihre Sneakers wieder auszog.
Als sie wutentbrannt, und die ein oder andere Träne in den Augen, schließlich die Wohnung verließ, hörte sie ihren Vater noch sagen: "Deine schlampigen Schläppchen steck' ich jetzt in den Ofen, bloß dass Du's weißt!"
Die Stimmung war in den darauffolgenden Tagen mehr als frostig und Sandra wagte es nicht, ihren Vater auf die Schuhe anzusprechen.
So hatte sie zwar heimlich alle Schränke, Ecken und Winkel abgesucht, doch ihre Cortez waren unauffindbar.
Ihre Mutter konnte ihr damals nur berichten, wie ihr Vater die Schuhe tatsächlich aus der Wohnung getragen hatte.
Nach all seinen verächtlichen Kommentaren war es für Sandra damit ausgemachte Sache, dass er sie noch an jenem Morgen gnadenlos in den gierigen Schlund des Werkstattofens geworfen hatte.
Die säuselnde Stimme ihrer Mutter weckte Sandra aus ihren Gedanken.
-- "Das waren Deine ersten selbstgekauften Turnschühchen, Sandylein, weißt Du noch? Was hast Du die geliebt, hi, hi, hi." lachte sie schrill.
Sandra warf ihrer Mutter einen mahnenden Blick zu, doch es wurde noch peinlicher:
-- "Das war herzig mit anzuschauen. Erst hat mein junges Fräulein die dicken Schnürbänder reingemacht. Am Anfang so weit, dass Du ständig rausgeschlüpft bist, hi, hi, hi."
Die nebenstehenden Nachbarn lauschten den Ausführungen und amüsierten sich heimlich, weshalb Sandra mürrisch raunte: "Mama."
-- "Und irgendwann hast Du sie mit weißer Schuhcreme ganz weiß angestrichen. Meine kleine feine Dame mit ganz weißen Schühchen. Aber Du warst immer noch so ein Rabauke, dass Du fast jeden Abend nachstreichen musstest, hi, hi, hi." lachte sie erneut zuckersüß.
Sandras Blick hätte kaum zorniger ausfallen können, da setzte ihre Mutter -- die ganz in ihren Erinnerungen schwelgte -- noch einen drauf.
-- "Dein Papi hat die Schuhe ja gar nicht gemocht. Der hat mir oft gesagt, ich soll sie wegschmeißen und Dir neue kaufen. Sein süßes Mädchen will er nicht in so schlampigen Turnschuhen rumlaufen sehen."
Sandras Blick sprach Bände. Sie wollte diese Situation so schnell wie möglich hinter sich bringen.
"Den Rest kenn' ich." sagte sie genervt.
Mit einer raschen Bewegung nahm sie ihrer Mutter die Schuhe ab.
Ein Hauch Wehmut erfüllte Sandra, aber andererseits -- was sollte sie schon mit fast zwanzig Jahre alten Schuhen.
Sie warf die Cortez in den Karton mit den Sachen aus der Puppenstube.
"Lass' es gut sein."
Ihre Mutter war ein klein Wenig betroffen, etwas Falsches gesagt zu haben, setzte aber gleich wieder ihr süßes Lächeln auf.
-- "In Ordnung Sandylein, dann kommen sie eben weg."
Wie zur Bestätigung, und sicher auch um abzulenken, langte Sandras Mutter erneut ins Regal und packte noch ein abgetragenes Paar Birkenstock obendrauf.
-- "Meine alten Latschen mach' ich auf jeden Fall auch mit dazu."
-- "Hilfst Du mir bitte, die Sachen noch zu Jochen, in die Schreinerei zu tragen?"
Wie könnte Sandra da "nein" sagen, deshalb war sie ja im Grunde hergekommen.
"Klar, kann ich gerne machen, Mama."
Rücksichtsvoll nahm Sandra die schwerere Puppenstube und überließ ihrer Mutter den leichten Karton mit dem Kleinzeug und den Schuhen.
Gemeinsam gingen sie die Kellertreppe hinauf und quer über den Hof.
Das Tor der Werkstatt statt weit offen, ein Nachbar kam gerade wieder heraus, nachdem er sein Altholz -- oder was auch immer er hergetragen hatte -- in den Lagerraum gebracht hatte.
Geradezu bedächtig schritt Sandra über die Schwelle, ihre Mutter ging voraus und strebte direkt zum Lagerraum.
Dort lagen bereits unzählige Bretter und Latten der Kellerverschläge am Boden; teils ordentlich gestapelt, teils lieblos hingeworfen.
Ein paar Überreste von Schränken und Regalen gesellten sich dazu.
In einer Gitterbox sammelten sich Kleinteile, alte Zeitschriften und offensichtlich all diejenigen Abfälle, die unter die Rubrik "brennbar" fielen.
Etwas enttäuscht, Jochen hier doch nicht anzutreffen, stellte Sandra die Puppenstube zu den aufgestapelten Brettern.
Ihre Mutter zögerte. Sie hatte Hemmungen, den Karton einfach so in die Gitterbox zu werfen oder gar auszuleeren.
Zumal sie zwar Jochens Zusage hatte, auch Schuhe mit dazuzugeben, aber irgendwie war ihr unwohl, alles unbesehen hier abzukippen.
"Hallo zusammen!" ertönte hinter ihnen eine sonore Stimme.
Beide wandten sich erfreut zum Herrn des Hauses um.
"Hallo Sandra." sagte Jochen nochmal, mit besonders freundlichem Unterton.
"Hi." hauchte Sandra mit schwacher Stimme.
"Was habt Ihr denn mitgebracht?" fragte Jochen als Gesprächsöffner.
"Nur meine alte Puppenstube." antwortete Sandra verlegen.
Mit ihrer süßesten Stimme sagte Sandras Mutter:
-- "Bei mir musst Du vielleicht draufschauen, Jochen, ob das wirklich in Ordnung für Dich ist."
In vorauseilender Beschwichtigung schob sie nach: "Vermutlich sollte ich das besser in die Mülltonne werfen."
Jochen sagte ruhig: "Lassen Sie mal schauen, Frau Steiner, so viel scheint's ja nicht zu sein."
Sandras Mutter hielt die Karton hin, damit Jochen den Inhalt gut sehen konnte.
Dieser griff ungeniert hinein und zog die zuoberst liegenden Birkenstock heraus.
Bevor Sandras Mutter etwas sagen konnte, kommentierte Jochen:
"Das bisschen Kork und Leder -- geschenkt." und warf die Latschen mit einem Schlenker des Handgelenks in die Gitterbox.
Nun wurden seine Augen größer. Er hob Sandras Schuhe aus dem Karton.
So lässig er gerade die Birkenstock ihrer Mutter als Brennmaterial akzeptierte, so interessiert schaute er nun Sandras Cortez an.
"Was haben wir denn da Hübsches?"
Jochens Anerkennde Bemerkung über Sandras Schuhe ging in der schrillen Stimme ihrer Mutter unter:
-- "Hi, hi, hi, jaa, Sandyleins Turnschühchen sind wieder aufgetaucht. Die hat sie ja sooo gern getragen, stimmt's Schatzilein?"
Sandra war sofort wieder auf 180 und funkelte ihre Mutter nur an.
-- "Ah ha ha ha, da hatten wir eben schon einen kleinen Disput." lachte sie und merkte süffisant an: "Das ist meinem Mäuschen ein bisschen peinlich, obwohl's das doch gar nicht sein braucht."
Sandra verdrehte ihre Augen und murrte tonlos: "MAMA".
Um Sandras Unmut ein Ende zu machen, bat die Ermahnte Jochen:
-- "Jetzt hätte sie ihre alten Schühchen gern so schnell wie möglich aus der Welt geschafft. Das kannst Du sicher im Handumdrehen machen?"
Überrascht von dieser Nachdrücklichkeit schaute Jochen zuerst nochmal die Schuhe in seiner Hand an, dann Sandra:
"Fast schade drum, würd' ich sagen, aber ich schlag' Dir doch keinen Wunsch ab, Sandra.", drehte sich um und warf die Schuhe in die Ecke, wo der gußeiserne Ofen stand.
beim Aufräumen eines Kellers tritt so Manches zu Tage und vieles gehört eigentlich aussortiert.
Geschichten könnte man dazu sicher viele schreiben.
Hier ist eine, die mich besonders reizen würde.
Viel Spaß beim Lesen!
Grüße, IvyMike.
Sandras Handy klingelte schon wieder. Diesmal war es ihre Mutter.
Leicht genervt stöhnte Sandra "Was will die jetzt wieder."
Sie hatte schon länger kein gutes Verhältnis mehr zu ihrer Mutter.
Seit sie vor gut zehn Jahren bei ihren Eltern auszog hatte sie ihren Weg gemacht.
Sie war eben nicht mehr die kleine "Sandy" und sie war es langsam leid, von ihrer Mutter betütelt zu werden wie ein junges Mädchen.
"Hallo Mama." sprach sie kühl ins Mikrofon.
-- "Hallo liebes Sandylein," flötete es aus dem Hörer, "hast Du einen kleinen Augenblick? Mami muss Dich um einen kleinen Gefallen bitten."
Sandra verdrehte die Augen und sagte bemüht höflich: "Natürlich, was gibt's denn?"
-- "Danke Liebes!" und nachdem sie Luft geholt hatte: "Jaa, wo fang' ich denn am besten an? Äh, wir bekommen im Keller neue Absperrungen von unseren Parzellen. Du weißt ja, die alten Holzverschläge waren ja schon damals ziemlich marode. Jochen hat ja jetzt den Betrieb und das Haus übernommen, da hat er gesagt, da macht er solche Sachen auch gleich neu."
"Jochen hat die Schreinerei übernommen?" fragte Sandra interessiert dazwischen.
-- "Ja Schätzchen, er tritt sicher in große Fußstapfen, aber er konnte ja schon immer tüchtig anpacken. Ääh, wo war ich stehengeblieben? Ach ja, der Keller. Nächsten Samstag will Jochen den alten Verschlag rausreißen. Bis dahin müssen wir ein wenig aufgeräumt haben im Keller. Aus Deinem Kinderzimmer hat es noch ein paar Sachen. Da wollte ich Dich fragen, was ich davon aufheben soll. Oder vielleicht möchtest Du was für Deine Kinder aufheben, wenn Du dann welche hast?"
Den Seitenhieb ignoriert Sandra geflissentlich: "Was hat's denn von mir noch da?"
-- "Oh, noch einiges Sandylein, Deine Puppenstube, Dein Schaukelpferd und noch ein bisschen Krimskrams, Du weißt schon."
"Ok, dann komm' ich am Samstag auf'n Sprung vorbei."
-- "Das freut mich, Sandylein!"
Sandra war nervöser als sie sich es eingestehen wollte.
Nicht, weil sie ihre Mutter nach mehreren Wochen mal wieder sehen würde.
Auch nicht, weil sie besonders gespannt auf ihre alten Spielsachen wäre.
Nein, sie war neugierig, was aus Jochen geworden ist.
Er war rund fünf Jahre älter als sie. Ein netter Kerl.
Doch als sie bei ihren Eltern auszog, brach der Kontakt ab.
Dass Jochen nun selbstständig als Schreiner arbeitete und dem Mietshaus, in dem ihre Eltern wohnten, neuen Pepp verleihen wollte, beeindruckte Sandra.
Was, wenn er noch solo wäre... Doch diesen Gedanken verwarf Sandra eilig wieder.
Als Sandra und ihre Mutter gemeinsam in den Keller gingen, herrschte dort schon reges Treiben.
Die meisten Bewohner hatten schon ihre Parzellen auf- oder sogar ausgeräumt und waren daran, die alten Verschläge abzubauen.
-- "Das Holz sollen wir gleich rüber in die Werkstatt bringen, Schätzchen. Jochen kann es da kleinsägen und verfeuern. In der Schreinerei wird ja schließlich schon immer mit Holz geheizt."
Sandras Mutter setzte ein honigsüßes Lächeln auf: "Wenn Du was von Deinen Spielsachen nicht mehr magst, freut sich Jochen bestimmt auch darüber. Er hat gesagt, er nimmt alles, was brennt. Hi hi hi." schloß sie mit einem künstlichen Lachen.
Sandra wusste nicht, was ihr mehr mißfiel: Das dämliche Lachen ihrer Mutter oder die Tatsache, dass ihre alten Sachen in dem großen gußeisernen Ofen in der Schreinerei enden sollten.
Als Kind hatte sie beinahe etwas Angst vor diesem rauchschwarzen Ungetüm in der Ecke der Werkstatt, das damals schon alles "fraß", was auch nur den Anschein machte, nicht mehr gebraucht zu werden.
Doch sie blieb tapfer. Schließlich hatte sie nicht das leiseste Interesse daran, mit einem Kofferraum voller Gerümpel wieder nach Hause zu fahren.
Die Parzelle ihrer Eltern war bereits ordentlich aufgeräumt.
Alle Regale und Schränkchen waren vom Verschlag weg, in die Raummitte geschoben.
Direkt neben der Tür standen die angekündigten Spielzeuge: Das Schaukelpferd, die leergeräumte Puppenstube und ein Karton, voll mit dem Inhalt der Puppenstube und weiteren kleinen Spielsachen.
-- "Hier schau, Sandylein. Damit hast Du immer so gerne geschaukelt! Zu Deinem dritten Geburtstag hast es damals von Herbert bekommen. Ach, war das putzig anzuschauen." schwelgte Sandras Mutter in ihren Erinnerungen.
-- "Und hier, Deine Puppenstube. Da warst Du noch eine ganz wilde kleine Maus, hast die Möbelchen und Püppchen ganz schön malträtiert. Hi hi hi." lachte sie schon wieder so ekelhaft süß.
Es war Sandra peinlich. Viele Nachbarn, die in Hör- und Sehweite waren, kannte sie noch von früher.
Vor ihnen als kleines Mädchen behandelt zu werden, wurmte sie.
Sandra brauchte nicht lange zu überlegen.
Geringschätzig sagte sie zur Puppenstube: "Ja. Die ist kein Schmuckstück mehr. Die kann weg."
Sie ging in die Hocke und inspizierte das Schaukelpferd. Ein robustes Stück, bei dem Jochens Vater sich offenbar reichlich Mühe gegeben hatte.
Wirklich Verwendung hätte sie zwar für's erste nicht, aber als Dekoration beziehungsweise als Kleiderablage für ihr Schlafzimmer würde es allemal taugen.
"Das Schaukelpferd würd' ich mitnehmen." lautete Sandras Urteil.
Während Sandra sich das Schaukelpferd näher angesehen hatte, hatte ihre Mutter in das Regal neben ihnen gegriffen.
-- "Schau mal, was da beim Umräumen noch hinter dem Schrank aufgetaucht ist, Liebes."
Zu Sandras großem Erstaunen waren es ihre damals innig geliebten Nike Cortez, die sie an einem bitteren Tag hatte hergeben müssen.
Ihr Vater hatte sich so sehr über den Zustand ihrer Schuhe aufgeregt, dass sie sie wieder ausziehen und stattdessen andere anziehen musste, bevor sie in die Schule ging. Unter größtem Protest, versteht sich.
Sie konnte sich noch bestens an diesen fiesen Moment erinnern, als sie auf dem Boden saß und ihre Sneakers wieder auszog.
Als sie wutentbrannt, und die ein oder andere Träne in den Augen, schließlich die Wohnung verließ, hörte sie ihren Vater noch sagen: "Deine schlampigen Schläppchen steck' ich jetzt in den Ofen, bloß dass Du's weißt!"
Die Stimmung war in den darauffolgenden Tagen mehr als frostig und Sandra wagte es nicht, ihren Vater auf die Schuhe anzusprechen.
So hatte sie zwar heimlich alle Schränke, Ecken und Winkel abgesucht, doch ihre Cortez waren unauffindbar.
Ihre Mutter konnte ihr damals nur berichten, wie ihr Vater die Schuhe tatsächlich aus der Wohnung getragen hatte.
Nach all seinen verächtlichen Kommentaren war es für Sandra damit ausgemachte Sache, dass er sie noch an jenem Morgen gnadenlos in den gierigen Schlund des Werkstattofens geworfen hatte.
Die säuselnde Stimme ihrer Mutter weckte Sandra aus ihren Gedanken.
-- "Das waren Deine ersten selbstgekauften Turnschühchen, Sandylein, weißt Du noch? Was hast Du die geliebt, hi, hi, hi." lachte sie schrill.
Sandra warf ihrer Mutter einen mahnenden Blick zu, doch es wurde noch peinlicher:
-- "Das war herzig mit anzuschauen. Erst hat mein junges Fräulein die dicken Schnürbänder reingemacht. Am Anfang so weit, dass Du ständig rausgeschlüpft bist, hi, hi, hi."
Die nebenstehenden Nachbarn lauschten den Ausführungen und amüsierten sich heimlich, weshalb Sandra mürrisch raunte: "Mama."
-- "Und irgendwann hast Du sie mit weißer Schuhcreme ganz weiß angestrichen. Meine kleine feine Dame mit ganz weißen Schühchen. Aber Du warst immer noch so ein Rabauke, dass Du fast jeden Abend nachstreichen musstest, hi, hi, hi." lachte sie erneut zuckersüß.
Sandras Blick hätte kaum zorniger ausfallen können, da setzte ihre Mutter -- die ganz in ihren Erinnerungen schwelgte -- noch einen drauf.
-- "Dein Papi hat die Schuhe ja gar nicht gemocht. Der hat mir oft gesagt, ich soll sie wegschmeißen und Dir neue kaufen. Sein süßes Mädchen will er nicht in so schlampigen Turnschuhen rumlaufen sehen."
Sandras Blick sprach Bände. Sie wollte diese Situation so schnell wie möglich hinter sich bringen.
"Den Rest kenn' ich." sagte sie genervt.
Mit einer raschen Bewegung nahm sie ihrer Mutter die Schuhe ab.
Ein Hauch Wehmut erfüllte Sandra, aber andererseits -- was sollte sie schon mit fast zwanzig Jahre alten Schuhen.
Sie warf die Cortez in den Karton mit den Sachen aus der Puppenstube.
"Lass' es gut sein."
Ihre Mutter war ein klein Wenig betroffen, etwas Falsches gesagt zu haben, setzte aber gleich wieder ihr süßes Lächeln auf.
-- "In Ordnung Sandylein, dann kommen sie eben weg."
Wie zur Bestätigung, und sicher auch um abzulenken, langte Sandras Mutter erneut ins Regal und packte noch ein abgetragenes Paar Birkenstock obendrauf.
-- "Meine alten Latschen mach' ich auf jeden Fall auch mit dazu."
-- "Hilfst Du mir bitte, die Sachen noch zu Jochen, in die Schreinerei zu tragen?"
Wie könnte Sandra da "nein" sagen, deshalb war sie ja im Grunde hergekommen.
"Klar, kann ich gerne machen, Mama."
Rücksichtsvoll nahm Sandra die schwerere Puppenstube und überließ ihrer Mutter den leichten Karton mit dem Kleinzeug und den Schuhen.
Gemeinsam gingen sie die Kellertreppe hinauf und quer über den Hof.
Das Tor der Werkstatt statt weit offen, ein Nachbar kam gerade wieder heraus, nachdem er sein Altholz -- oder was auch immer er hergetragen hatte -- in den Lagerraum gebracht hatte.
Geradezu bedächtig schritt Sandra über die Schwelle, ihre Mutter ging voraus und strebte direkt zum Lagerraum.
Dort lagen bereits unzählige Bretter und Latten der Kellerverschläge am Boden; teils ordentlich gestapelt, teils lieblos hingeworfen.
Ein paar Überreste von Schränken und Regalen gesellten sich dazu.
In einer Gitterbox sammelten sich Kleinteile, alte Zeitschriften und offensichtlich all diejenigen Abfälle, die unter die Rubrik "brennbar" fielen.
Etwas enttäuscht, Jochen hier doch nicht anzutreffen, stellte Sandra die Puppenstube zu den aufgestapelten Brettern.
Ihre Mutter zögerte. Sie hatte Hemmungen, den Karton einfach so in die Gitterbox zu werfen oder gar auszuleeren.
Zumal sie zwar Jochens Zusage hatte, auch Schuhe mit dazuzugeben, aber irgendwie war ihr unwohl, alles unbesehen hier abzukippen.
"Hallo zusammen!" ertönte hinter ihnen eine sonore Stimme.
Beide wandten sich erfreut zum Herrn des Hauses um.
"Hallo Sandra." sagte Jochen nochmal, mit besonders freundlichem Unterton.
"Hi." hauchte Sandra mit schwacher Stimme.
"Was habt Ihr denn mitgebracht?" fragte Jochen als Gesprächsöffner.
"Nur meine alte Puppenstube." antwortete Sandra verlegen.
Mit ihrer süßesten Stimme sagte Sandras Mutter:
-- "Bei mir musst Du vielleicht draufschauen, Jochen, ob das wirklich in Ordnung für Dich ist."
In vorauseilender Beschwichtigung schob sie nach: "Vermutlich sollte ich das besser in die Mülltonne werfen."
Jochen sagte ruhig: "Lassen Sie mal schauen, Frau Steiner, so viel scheint's ja nicht zu sein."
Sandras Mutter hielt die Karton hin, damit Jochen den Inhalt gut sehen konnte.
Dieser griff ungeniert hinein und zog die zuoberst liegenden Birkenstock heraus.
Bevor Sandras Mutter etwas sagen konnte, kommentierte Jochen:
"Das bisschen Kork und Leder -- geschenkt." und warf die Latschen mit einem Schlenker des Handgelenks in die Gitterbox.
Nun wurden seine Augen größer. Er hob Sandras Schuhe aus dem Karton.
So lässig er gerade die Birkenstock ihrer Mutter als Brennmaterial akzeptierte, so interessiert schaute er nun Sandras Cortez an.
"Was haben wir denn da Hübsches?"
Jochens Anerkennde Bemerkung über Sandras Schuhe ging in der schrillen Stimme ihrer Mutter unter:
-- "Hi, hi, hi, jaa, Sandyleins Turnschühchen sind wieder aufgetaucht. Die hat sie ja sooo gern getragen, stimmt's Schatzilein?"
Sandra war sofort wieder auf 180 und funkelte ihre Mutter nur an.
-- "Ah ha ha ha, da hatten wir eben schon einen kleinen Disput." lachte sie und merkte süffisant an: "Das ist meinem Mäuschen ein bisschen peinlich, obwohl's das doch gar nicht sein braucht."
Sandra verdrehte ihre Augen und murrte tonlos: "MAMA".
Um Sandras Unmut ein Ende zu machen, bat die Ermahnte Jochen:
-- "Jetzt hätte sie ihre alten Schühchen gern so schnell wie möglich aus der Welt geschafft. Das kannst Du sicher im Handumdrehen machen?"
Überrascht von dieser Nachdrücklichkeit schaute Jochen zuerst nochmal die Schuhe in seiner Hand an, dann Sandra:
"Fast schade drum, würd' ich sagen, aber ich schlag' Dir doch keinen Wunsch ab, Sandra.", drehte sich um und warf die Schuhe in die Ecke, wo der gußeiserne Ofen stand.