Hallo Freunde und gelegentliche Leser!
Am Wochenende vor einer Woche, da war ich mit dem Hexlein zu unserem jährlichen „Kriegertreffen“, dieses Mal in Freiberg, der Stadt des Bergbaus.
Einen Lumpenwicht wie mich, den interessiert dabei natürlich mehr die Geschichte der Freiberger Miederwarenherstellung, zumal ich einige Exemplare an Hüftgürteln in meiner Sammlung diesem Ursprungsort zuordnen kann.
Da ich leider schon vor Jahren nach der Wende das Gebäude und dessen Adresse nicht ermitteln konnte, weil mir auch die Chorrage fehlte, hatte ich mir für dieses Jahr fest vorgenommen an mein Ziel zu kommen.
Wir verbrachten ein schönes Wochenende in einer Pension nahe Freibergs und eine dortige ältere Dame gab mir Auskunft. So soll es sogar zwei Miedermanufakturen gegeben haben, eine an deren Ort sie sich nicht mehr erinnern konnte und die, nahe der Chemnitzer Straße.
Als ich ankam, war die Chemnitzer Straße baubedingt gesperrt.
Das Hexlein samt dem Wagen abgeparkt, machte ich mich zu Fuß auf den Weg.
Ich sprach Leute an, ältere und erzählte ihnen eine Kolumne über die sächsische Textilindustrie schreiben zu wollen. Dabei sei ich auf die „Freiberger Miederwaren“ gestoßen und wolle deren ehemaligen Standort erforschen.
„Mein Name ist Lumpenkarl; ich bin von Kindheit an Miederfetischist; diese Freiberger Strumpfhaltergürtel aus Kunstseide hatten es mir schon immer angetan; sie sind sehr angenehm, von der Optik her und auch kuschelig; nun möchte ich endlich an den Ort, wo sie fabriziert wurden“ – diese Legende wäre sicher unpassend gewesen.
Ein Mann nahe des Freizeitbades erinnerte sich; eine zweite älter Dame - und ich stand fast davor - wusste und wusste nichts; ein weiterer Mann wusste und verwies auf ein grünes Gebäude – da oben und auf die Villa mit Park, des ehemaligen Besitzers, da vorn; ein Eigenheimbesitzer war erst zugezogen; und endlich wusste eine rauchende mir als „Hartzerin“ erscheinende, Wäsche aufhängende Frau, die mir so schien, als hätte sie dort genäht, dass ich genau vor dem Anwesen stand, in der Oberengasse 1.
Sofort befiel mich Wehmut und Fantasie:
Ich stellte mir vor, wie vor Jahren gut hundert Arbeitskräfte dort zu Gange waren. Das Produkt wurde mit Framo oder Robur in Kisten und Kartons zum Bahnhof gekarrt und am Güterboden verschickt, in Kaufhäuser des Ostens und Auslieferungslager von Konsum und HO, vielleicht sogar ins sozialistische Ausland, nach Polen, in die Tschechei und nach Russland oder Bulgarien sogar. Ich sehe die vielen Näherinnen, wenn ich durch die oberen Fenster blicke, sehe sie bei der Zigarettenpause angelehnt an die dünnen roten Eisenstäbe der Geländer, auf den betonierten Treppenabsätzen, sehe sie in ihren bunten Kittelschürzen und dass sie das Finalprodukt auch unter ihren Roben tragen.
Und währenddem das Grün, das neue Wirtschaftswunder schon zu überwuchern droht, da werden meine Nüstern immer noch gereizt von dem Staub geschnittener Atlasseide und dem Geruch nach Gummi, den die Seitenteile und Massen von Strumphaltergummis erzeugt haben müssen…
Verblasste Schilder einer Subkultur bringen mich wieder ins Leben und erinnern mich daran, dass wenn man sich nicht einmal einen ordentlichen Hausmeister leisten kann, auch unter den neuen Nutzern kein Goldstaub mehr zu finden sein wird.
Dann fand ich den Goldstaub doch – auf dem Trödelmarkt an der Uni.
Zuerst ein Kleiderständer – Altweiberklamotten, traumhafte Unterröcke mit Bändelträgern und ein Bügel, der einen breiten rosafarbenen Hüftgürtel aus Atlasseide, sowie eine schwarze Strapsmiederhose mit Spitzenpatte hielt.
Ich war hin – mein Wicht war weg…
Jetzt nur keinen Fehler mach; das war noch mein Sinnen, langsam annähern, an den Verkäufer, eine Art von Zigeuner.
In dreckigen Kartons lagen Hüte, Blusen, Röcke und auch BH´s, alte, ja und auch Strumpfhaltergürtel aus Freiberg, auch alt und getragen. Dann sah ich einen Karton mit Strumpfhaltergummis, neuen und abgeschnittenen, herausgetrennten BH-Verschlüssen.
Und als ich einen Strumpfhaltergürtel befühlte, ihm versucht war meine Liebe zu schenken, den Schmierlappen von Trödler fragte: „Was kostet denn so etwas?“, da wurde der gleich unbeherrscht.
„Was, was konkret?“, ich hielt ihm das Teil hin, „25!“, - „Was“ entfuhr es mir nun vor Entsetzen: „25 Cent, oder was?“ – „Träum weiter, 25 Euro natürlich, ist dir wohl zu teuer, dann kauf dein Zeug doch im Aldi!“ Ich ließ ihn einfach stehen und schlenderte nun über den Markt. Als ich zurück kam fragte er: „Hast wohl nicht so viel Geld dabei?“
Ich sagte nur: „Nein“, und schlich mich irritiert davon, griff jedoch noch mal an die schwarze Strapshose…
In Nossen, kurz vor der Autobahnauffahrt, da gönnte ich mir, in einem Trödlerkiosk, den Frustkauf einer Miederhose für einen Euro.
LG; Karl, auch wenn er etwas gefrustet ist